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Silvia Mathilde Franz: „NEIN sagen lernen, um JA sagen zu können!“

Ist es nur der sinkende Östrogenspiegel, der uns in Wallung versetzt oder vielleicht auch die Wut über Unausgesprochenes, fragt sich die Podcasterin und Wechselberaterin.

Es ist Punkt 2 Uhr. Ich bin hellwach. Über Monate hinweg. Der Nachbar über mir ist stolzer Besitzer einer Pendeluhr. Jede halbe Stunde ein Schlag, jede volle drei... vier? fünf? Schläge. WIE oft habe ich dieses verfluchte Zeitmessgerät gedanklich zu Kleinholz verarbeitet! Dann dieses schweißgebadete Aufwachen. Die Atemnot. Was ist los mit mir?  

Ich war 43 Jahre alt. Beruflich extrem gefordert. 17 Monate lang habe ich nicht nur meinen, sondern auch den Job meiner Chefin miterledigt. Dann der Zusammenbruch. Diagnose Burnout. Zuerst meine Chefin, jetzt also auch ich. Mein beschauliches und hart erarbeitetes Juristinnen-Dasein löste sich auf wie Zuckerwatte. Zurück blieb Panik und Bodenlosigkeit. 

Die Lebensmitte fordert wichtige Entscheidungen  

Aber was hat das mit den Wechseljahren zu tun? Genau diese Frage drängte sich in mir in den folgenden Jahren, in denen ich begann, mich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen, immer mehr auf. Die sogenannte Zeit der Lebensmitte. Oft eine Zeit der Doppel- und Dreifachbelastung, der Trennungen, eine Zeit, in der wir häufig beginnen, unser Leben im Rückspiegel zu betrachten.  Dazu der sich verändernde Körper, die hormonelle Umstellung. Kann man diese Dinge voneinander trennen?  

Ist es wirklich „nur“ der sinkende Östrogenspiegel, der unseren Körper in Wallung versetzt oder vielleicht auch die Wut über Unausgesprochenes, Ungelebtes, über Dinge, die wir so lange versucht haben zu unterdrücken? Die Unruhe, die schlaflosen Nächte. Wirklich nur hormonbedingt oder könnte es auch noch andere Ursachen geben? 

Die Wechseljahre als Transformationsbooster 

Mein Körper hat mich in dieser Zeit richtig in die Knie gezwungen. Ich konnte fast nichts mehr essen, nicht mehr schlafen, war depressiv und verzweifelt. Ich wusste, ich brauche Hilfe und ich konnte diese gottseidank auch annehmen. Und es wurde sehr schnell klar, dass Symptom-Bekämpfung alleine nicht der Weg ist. Mein Körper wollte mehr von mir. Ich sollte genauer hinschauen. Heute bin ich 56 und kann sagen, es war eine unglaublich harte Zeit, aber vermutlich die wichtigste und bereichernde in meinem Leben. Mir wurde bewusst, wie sehr ich von dem, was MICH ausmacht, abgekommen bin und habe begonnen, mich in Sachgebiete zu vertiefen, Ausbildungen zu absolvieren, für die mein Herz schon immer gebrannt, die mein Verstand aber abgelehnt hat, weil er Sicherheit wollte. Eine Sicherheit, die es nicht gibt. Er hat es nur gut gemeint. 

So sind mit den Jahren drei Bücher entstanden, zwei für Erwachsene, eines für Kinder bis zum Alter von 99 Jahren, ich bin begeisterte Biodanza-Anleiterin (Anmerkung der Redaktion: Eine Tanztherapie), Jin Shin Jyutsu Praktikerin, biete Workshops zum Thema Wechseljahre für Unternehmen an, weil dieses Thema in die Betriebe gehört, habe gemeinsam mit meinem Partner die Plattform positives.at gegründet und vor ein paar Monaten hat sich mein Podcast „Entdecke die Kraft der Wechseljahre“* ins Leben manifestiert, weil ich finde, Erfahrungen sind da, um weitergegeben zu werden. 

Wertschätzung lernen: Unser Körper ist ein Wunder 

Womit ich auch gleich die Frage beantworten möchte, was ich jüngeren Frauen, eigentlich uns allen, natürlich auch Männern, einfach allen, die sich angesprochen fühlen, mitgeben möchte: Körperwissen. Es gibt nichts Wertvolleres. Lerne dich und deinen Körper kennen. Dieses unfassbare Wunder. Wenn du weißt, wer du bist und was dein Körper braucht, stellst du die richtigen Fragen und wagst es, mutige Entscheidungen zu treffen. Ich habe meinen Körper leider über sehr viele Jahre nicht wertgeschätzt, hatte immer etwas an ihm auszusetzen. Täglich auf der Waage, Diäten, kritische Spiegelblicke, Unzufriedenheit. Was für ein Geschenk, endlich spüren zu dürfen, wie es sich anfühlt, im eigenen Körper zu Hause, in ihm verankert zu sein. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass sich dieses Gefühl ausgerechnet in einer Zeit zunehmender Faltenwürfe einstellt! 

Neue Grenzen: Bis hier her und nicht weiter 

Und noch etwas. Grenzen setzen. Ein Arzt hat mir nach einem langen Gespräch tatsächlich Globuli gegen das Lachen verschrieben! Darüber musste ich vorerst natürlich einmal wiehern wie ein Pferd. Es hat gedauert, bis die Botschaft gesickert ist. Ich liebe es zu lachen und ich bin unendlich dankbar für meine Gabe, nicht alles so ernst zu nehmen und auch über mich selbst lachen zu können. Aber ich hatte auch die Gabe, über Dinge, die mir nicht mehr gutgetan haben, hinweg zu lachen. Mein ärztliches Gegenüber hat meine Taktik schnell durchschaut. Ich musste lernen, dass es Situationen gibt, in denen lachen wenig hilfreich, ja sogar schädlich für mich ist. Situationen, die Ernsthaftigkeit und klare Grenzen brauchen. Eine Therapeutin, die mich auf meiner Reise begleitet hat, hat mir nahegelegt, ein „NEIN sagen zu lernen, um ein JA sagen zu können“. Dieser Satz wird mich ewig begleiten. 

Für sich einstehen und bestimmter werden 

Ist es Zufall, dass wir in den Wechseljahren dabei sogar von unserem Körper hormonell unterstützt werden? Denn unser Östrogenspiegel sinkt zwar kontinuierlich ab, aber der Testosteronspiegel verändert sich in der Regel wenig, wird also im Verhältnis dominanter. Testosteron wird dem männlichen Prinzip zugeschrieben, der Yang Energie, also dem Teil in uns, der uns hilft, klare Grenzen zu setzen, der uns hilft, sehr bestimmt aufzutreten, wenn es die Situation erfordert und der uns dabei unterstützt, klare Strukturen in unser Leben zu bringen. Die „Verschiebung“ der Hormone ist also auch sehr hilfreich, wenn es darum geht, klar für uns einzustehen. Was für ein praktischer und willkommener Nebeneffekt auf unserer Reise zu uns selbst! Ich sag's ja: Er ist einfach ein Wunder, unser Körper. Lasst ihn uns feiern! 

*(Der Podcast ist auch auf spotify, amazon music, positives.at und RTL+ zu finden.) 


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