Monika Herschberger: Im Wechsel werden unterdrückte Kräfte frei
Mit ihren 48 Jahren steckt die Künstlerin mitten in der Peri-Menopause. In dieser Phase entdeckt sie sich und die Kraft der weiblichen Selbstermächtigung neu.
Ich darf mich vorstellen: Ich bin bildende Künstlerin und ausgebildete Jazzsängerin aus Wien, verheiratet, Mutter eines Sohnes und mag Yoga, gute Bücher sowie die Musik von Melody Gardot und Billie Eilish. Beruflich war ich immer etwas zerrissen, die Kunst stand stets an erster Stelle, mit Nebenjobs habe ich sie mir finanziert und daher aber nie richtig eine Karriere verfolgt. Deshalb habe ich mich vor kurzem entschieden, wieder freiberuflich zu arbeiten. Ohne doppelten Boden. Das ist eine andere Energie. Pure Selbstermächtigung.
Mein Leben im Zyklus: Im Rhythmus der Frauen
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Ich habe immer meine Zyklus-Phasen sehr intensiv gespürt und war unterschiedlich leistungsfähig: in den ersten Wochen geistig eher klar, ab der Monatsmitte kamen dann ausgeprägte Stimmungsschwankungen dazu. Das hat im Arbeitsumfeld oft gestört – ich bin da generell etwas empfindlicher. Seit zwei Jahren – also seitdem sich die Menopause schon langsam ankündigt – habe ich das aber besser im Griff. Ich versuche Konflikten aus dem Weg zu gehen. Aber wenn ich so leben hätte können, wie ich es damals gespürt habe, dann hätte ich mich in dieser Zeit am liebsten eine Woche zurückgezogen, meditiert und geträumt.
Ich denke, der Zyklus ist auch ein Abbild der Jahreszeiten: von Neubeginn bis Ende und wieder von vorne. Das ist jedenfalls meine Theorie. Wenn sich die Welt sich im Rhythmus der Frauen drehte, ob sie da anders aussehen würde? Wäre interessant herauszufinden. Und da sind wir eh schon beim Thema Ökofeminismus angelangt – einem sehr naturverbundenen Feminismus. Mich haben immer Bücher über matriarchale Kulturen interessiert, dort habe ich spirituelle Vorbilder gesucht und auch gefunden: archetypische Frauenfiguren, Göttinnen, etc. Auch wenn es mal stressig wird und ich den Kopf woanders habe: Die Sehnsucht nach einem Mehr, die ist immer vorhanden. Der Zyklus, die Weiblichkeit, die Sexualität und ihre Symbolik inspirieren mich.
Nur 5 Minuten bei der Gynäkologin – das ist zu wenig
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Vom Wechsel und den Begleiterscheinungen, die damit auf uns zukommen, habe ich früher nicht so viel mitbekommen. Meine Mutter hatte Wallungen, das war mein Wissensstand. Leider kann ich sie nicht mehr fragen, sie ist recht jung gestorben. Die Reaktionen aus dem näheren Umfeld, die haben mich befremdet. Die Wechseljahre wurden mir als Ende der Sexualität verkauft. Aber innerlich fühle ich mich immer noch jung, auch durch meine künstlerische Tätigkeit. In dem Bereich gibt es immer Neues zu lernen. Da bleibt man nicht stehen. Im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, jetzt, mit Ende 40, komme ich erst richtig in meine Kraft, ein Jetzt oder nie-Gefühl.
Und körperlich? 2022 verstarb mein der mein Vater. Da bekam ich dann plötzlich eine sehr starke Periode, zweimal im Monat und oft zwei Wochen lang. Die Stimmungsschwankungen wurden auch stärker, das Arbeiten war schwieriger. Ich hatte aber eine verständnisvolle Vorgesetzte, ich konnte mir fallweise einen Tag frei nehmen oder im Homeoffice arbeiten, wenn es besonders unangenehm war. Alles in allem: Eine anstrengende, erschöpfende Phase.
Die Frauenärztin meinte, das wäre wohl der Beginn der Perimenopause und verschrieb mir etwas. Hormone, denke ich. Was mich daran störte, war dieses Nicht-erklären. Diese 5-Minuten-in-der Ordination, und dann bleibt man mit allen Fragen allein zurück. Aber die Hormone halfen, mein Zustand hatte sicher auch mit dem Trauerfall zu tun. Was ich auch bemerke, ist, dass ich immer vergesslicher werde – das habe ich auch testen lassen. Anscheinend wird die Vergesslichkeit durch den Hormonabfall noch stärker.
Unterdrückte Energie, Schöpfungskraft und Unabhängigkeit
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Sonstige körperliche und mentale Veränderungen? Ich werde immer mehr, aber es stört mich nicht sehr. Fühlt sich rund und sinnlich an. Und ich habe mehr Durchsetzungsstärke und den Willen, etwas zu bewegen. Deshalb kann ich auch nicht mehr in großen Unternehmen arbeiten, da gibt es zu viele langsame Prozesse – das passt nicht zu meinem Temperament. Ich will mich nicht mehr ablenken oder mich von Pessimisten von meinen Zielen abbringen lassen.
Kunst ist für mich ein persönliches Anliegen, da geht es nicht nur um Selbstverwirklichung. Ich möchte Menschen Freude bereiten. Eine Therapeutin hat mir gut da durchgeholfen, ich gönne mir nun mehr, ab und zu auch eine Massage, denn genau das ist mein Thema: meinen Körper liebevoll behandeln und Rücksicht zu nehmen.
Seit letztem Jahr habe ich das Gefühl wieder etwas "back to the roots" zu gehen. In meiner aktuellen künstlerischen Serie Female Essence etwa greife ich Themen auf, die mich persönlich betreffen: unterdrückte Energie, Schöpfungskraft und Wildheit. Ich würde gerne wieder mehr davon leben und ausleben. Die Mutterrolle ist schön, aber man muss halt immer funktionieren. Einfach mal auszusteigen für ein paar Tage, das wäre fein.
Das Tabu der Wechseljahre: Ist es die Angst vor der Power?
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Warum ich euch an meiner Peri-Menopause teilhaben lasse? Ich fand es ernüchternd, wie wenig mir meine Frauenärztin erzählt hat. Mit meiner praktischen Ärztin kann ich zwar gut reden, aber das Thema Wechsel haben wir nur gestreift. Da fehlte die Zeit. Wäre interessant, woher diese Tabuisierung kommt. Ist es die Angst vor der Power? Wenn Frauen sich selbst neu entdecken und ihr Leben in die Hand nehmen, sich aus Beziehungen lösen oder ihre Berufungen entdecken – das hat schon viel Potenzial. Das Schöne am Älter werden ist, dass man sich nicht mehr verschwendet und alte Glaubenssätze – sofern sie noch da sind – über Bord wirft.
Ich fühle bei mir eine große Entschlossenheit, mich neu zu erfinden – oder endlich meinen Platz einzunehmen. In meiner ganzen Kraft. Meinem jüngeren Ich würde ich raten, sich nicht ablenken zu lassen, die Vielseitigkeit zu leben. Und das wichtigste Credo: weniger ist mehr. Du musst nicht auf jeder Hochzeit tanzen. Das versuche ich jetzt zu leben.
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