Monika Ballwein: "Wir sind an Leidenschaft kaum zu überbieten!"
Monika Ballwein, 53, Sängerin und Vocalcoach (Starmania) liegt die Enttabuisierung der Wechseljahre sehr am Herzen. Auf Wechselweise erzählt sie, warum.
Mein Leben war und ist intensiv, vielseitig, laut und schnell. Ich mag das und sauge jeden einzelnen Augenblick, den ich erleben darf, auf. Die Frau in mir war stets leichtfüßig, stark, lebenslustig, wissbegierig, neugierig und voller Tatendrang. Ich hatte nie das Gefühl der Müdigkeit oder Überforderung. Stillstand? Den gab es nicht.
Ist 50 nur eine Zahl?
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Meine Lebenszahl war zu keinem Zeitpunkt ein Problem. Viele in meinem Umfeld hatten mit ihrem 40. Geburtstag schon ein Thema – da erstrahlte ich aber gerade vor lauter Hormonen und Glücksgefühlen: ich war schwanger mit meinem Sohn. Zwar gehörte ich als sogenannte Spätgebärende zur Risikogruppe, aber das hat mich nicht gestört. Ich war bereit für das neue und das mit Abstand schönste Abenteuer: Die Mutterschaft.
Allerdings: Mit einem Kind vergeht die Zeit gefühlt noch schneller und als dann die Zahl 50 immer näher rückte, habe auch ich mir eingeredet, es sei doch nur eine Zahl und man ist ja nur so alt wie man sich fühlt. Aber die Natur und ihre Prozesse haben mir dann doch die Wahrheit aufgezeigt und einen gehörigen Strich durch meine – vielleicht etwas naive – Rechnung gemacht.
In Erwartung der großen Freiheit
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Wie es los ging mit dem Wechsel? Ich dachte anfangs, es sind sicher nur kurze Momente, man kann ja an manchen Tagen schon mal schlechter drauf sein. Und freute mich, das Thema der monatlichen Frauenbeschwerden mit allen mühsamen Symptomen endlich hinter mir zu lassen. Ich konnte diese neue Freiheit kaum erwarten.
Es gibt nämlich als Sängerin ein paar besondere Erschwernisse, die sich bestimmt in anderen Berufsgruppen anders, aber nicht weniger problematisch, auswirken: zu den üblichen Bauchkämpfen und dem Anschwellen der Brüste (in engem Bühnenkleid wirklich sehr unangenehm) kommt auch noch ein Anschwellen der Stimmlippen hinzu: Die Stimme funktioniert nicht mehr so, wie man es möchte – sehr hinderlich für einen gelungenen Konzertabend.
"Für ihr Alter sieht sie doch gut aus ..."
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Ich weiß schon: Das sind Probleme, die nicht jede Frau betreffen, aber dafür alle Frauen in meinem Business. Der Druck in der Unterhaltungsbranche ist enorm. Wir versuchen, die ständige Bewertung nicht zu nahe an uns herankommen zu lassen, aber man hat Angst, sie in den Blicken des Publikums herauszulesen: Ui, die ist aber schon alt geworden oder im besseren Fall: Wow, die sieht aber noch gut aus, also für ihr Alter. Das versucht man abzustreifen wie einen Mantel, sonst geht man kaputt. Damit muss man leben, weil man nicht einfach so in Pension gehen kann, alles easy, alles gut.
Zu dieser Zeit habe ich nie mit jemandem darüber gesprochen. Die Wechseljahre eignen sich nicht zum Small-Talk, aber speziell im Künstlerbusiness ist das Thema völlig tabu. Älter werden? Das blendet man gerne aus. Also blieb ich isoliert mit meinen vielen Überlegungen: Geht es anderen auch so? Ist das normal? Bin ich normal? Was muss und kann ich tun? Habe ich den Tiefpunkt der weiblichen Erotik erreicht? Wer will denn bitte schön eine stimmungs- und gewichtsschwankende, unsexy Menopausen-Frau?
Eine Achterbahn der Gefühle
Das hat mich nicht nur beschäftigt, sondern sehr belastet – und trotzdem musste ich funktionieren. Der Boden unter den Füssen wurde mir förmlich weggezogen. Ich hatte depressive Phasen und litt unter Wallungen, die in ihrer Wucht kaum zu übertreffen waren. Wie kann man bloß so sehr schwitzen?
Bald habe ich mich an Spezialisten gewandt und bekam von meiner Gynäkologin bioidente Hormone zur Stabilisierung. Eine Entscheidung, die anfangs von schlechtem Gewissen begleitet war: Immerhin hatte ich mit 25 Jahren und nach dem Absetzen der Pille beschlossen, meinem Körper nichts mehr vorzuspielen - und jetzt geht’s im Alter doch wieder damit los? Auch die Lust auf Sex war wie weggezaubert. Mein Leben, wie ich es kannte, war vorbei?
Und dann noch die Werbung
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Dieser Eindruck wird einer Frau auch sehr stark von außen vermittelt: Kümmer‘ dich doch um deinen Garten, lies‘ gute Bücher, schau‘ tolle Liebesfilme, geh früh schlafen. Und die Werbung? Die will dir im gleichen Atemzug sagen, wie supertoll es wird ab 50: Harnverlust – kein Problem! Trag doch die superweiche Slipeinlage! Schon allein bei der Konfrontation mit solchen Werbespots möchte man sich verkriechen und gleichzeitig kommt Wut hoch! Eine Frau ab 50 wird nicht gerade immer begehrenswert und sexy dargestellt – das setzt zu.
Ein Symptom des Wechsels: Verunsicherung
Besserung beginnt im Kopf – und mit Gesprächen. Mittlerweile habe ich mit einigen Freundinnen und Bekannten darüber gesprochen, wie wir es anderen Frauen in Zukunft einfacher machen können. Wir haben uns langsam und behutsam an das Thema herangetastet – denn es fällt fast jeder Frau schwer, zuzugeben, dass sich das Leben sehr stark verändert. Veränderungen sind nun mal eben schwer. Aber absolute Ehrlichkeit hilft am Ende des Tages enorm.
Wir sollten genau hinsehen und füreinander da sein. Nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren. Wir müssen die Wechseljahre gemeinsam enttabuisieren, um sie erfolgreich in unser Leben zu integrieren. Dann entfalten sich alle neuen, guten Facetten, die diese Lebensphase einleitet, vielleicht schon früher von ganz allein. Dann verschwindet auch die Angst. Und die Lebensfreude blüht im Idealfall rascher wieder auf.
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