Kristina Hametner: "Ewig jung? Die Gesellschaft hat ein Wechselproblem!"
Die Leiterin des Büros für Frauengesundheit der Stadt Wien kennt die Bedürfnisse der weiblichen Bevölkerung. Und hinterfragt Schönheitsideale und Altersstereotype.
Ist er das jetzt schon? Das ist die Frage, die sich durch die Zeit des Wechsels gezogen hat – und zwar so lange, bis es keine Frage, sondern nur noch Tatsache sein konnte. Meine Erkenntnis: Mein Wechsel war kein eruptives Ereignis, sondern lange davor – also lange bevor ich an Wechsel dachte – schweißnasse Nächte, die ich mir nicht erklären konnte.
Dann manchmal ein warmer Schleier auf der Haut, aber von ominöser Hitzewallung keine Spur. Nach der letzten Hormonspirale erstmals wieder so etwas wie eine normale Regel. Sie wurde stärker, hatte einen Höhepunkt, bei dem ich das Gefühl hatte, ich rinne aus. Es wurden Zysten entfernt und bald darauf hatte ich keine Regel mehr. Ich war 53.
Nackt vor dem Spiegel
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Der Wechsel war vor allem ein Lauern auf Veränderungen. Kommen Hitzewallungen? Verstimmungen? Werde ich stark zunehmen? All das kam nicht. Es war etwas Anderes: einfach älter werden. Der Körper verändert sich, er sieht ein bisschen anders aus als früher, er fühlt sich ein bisschen anders an als früher. Er braucht mehr Zuwendung, mehr Zuspruch.
Es braucht mehr an bewusster Selbstliebe, den älter werdenden Körper zu akzeptieren und zu mögen. Nackt vor dem Spiegel stehen und mit dem 57jährigen Körper wohlwollend vertraut werden. Die Seele altert ja nicht mit, das ist die gleiche wie immer, der Körper ist es nicht. Fühle ich mich heute weniger als Frau wie früher? Weniger weiblich? Keinesfalls!
Schluss mit den Normen
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Aber die Gesellschaft hat ein Wechselproblem. Genau genommen ein Problem mit dem Älterwerden von Frauen. Frauen werden bereits als Mädchen darauf eingestimmt, zu gefallen und schön zu sein. Schön wird bei Frauen gleichgesetzt mit jung und sexy und das wird natürlich zur Stolperfalle, über die Frau stolpern muss, will sie nicht in jungen Jahren das Zeitliche segnen.
Marilyn Monroe blieb für uns immer wunderschön. Wir Frauen, die gerne länger leben, werden älter und gehen durch die Wechseljahre. Und bleiben auch schön, nicht jung-schön, sondern älter-schön. Halten dagegen. Gegen Zuschreibungen und Vorschreibungen, welcher Lippenstift jetzt zu dunkel, welcher Rock zu kurz, welche Farbe zu schrill ist. Das ist nicht ganz einfach, natürlich haben wir bestimmte Normen internalisiert, Bilder vom Älterwerden im Kopf, die mit uns so gar nichts zu tun haben.
Stolz statt Scham
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Das Thema beschäftigt mich in meiner Arbeit, wir bemühen uns, Körpernormen, Schönheitsideale und gesellschaftliche Altersstereotype zu hinterfragen und um gesellschaftliche Veränderungen. Frauen werden für so viel beschämt. Die Menstruation ist ein Tabu, die weiblichen Geschlechtsteile werden als Scham bezeichnet.
Entsprechen Frauen nicht den Schönheitserwartungen, werden sie dafür beschämt und kommen sie in die Wechseljahre, sind sie mit dem nächsten gesellschaftlichen Tabu konfrontiert und dürfen sich als älter werdende Frauen beschämt in die Unsichtbarkeit verabschieden. Da braucht es noch viel an Veränderungen und ich denke einen langen Atem. Ein bisschen verändert sich schon etwas, ältere Frauen werden langsam sichtbarer und selbstbewusster.
Starker Körper, junge Seele
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Zu meinem Wechsel: Ja, manches hat sich geändert, ich ziehe Sneakers meinen schickeren Schuhen vor und mein Körper lässt mich spüren: wenn du gut altern möchtest, geh gut mit mir um, bau Kraft und Kondition auf. Das ist für mich eine der wesentlichen Veränderungen, seit ich im Wechsel bin: Aus dem Wissen, wie wichtig Bewegung und Sport sind wurde Gewissheit, wenn ich nicht jetzt aktiv bin und zum Beispiel bewusst Krafttraining mache, werde ich abbauen und im Alter wackelig werden. Das wird nicht passieren. Ansonsten? Wie gesagt die Seele altert nicht.
Interessiert an der Wiener Frauengesundheitswoche? Auch der Wechsel steht dieses Jahr im Fokus! Hier geht es zum Beitrag und allen Informationen.
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