Ildikó von Kürthy: "Jungsein ist kein Wert und Altsein kein Makel"
In ihrem neuen Buch "Eine halbe Ewigkeit" spielen auch die Wechseljahre eine Rolle. Mit Wechselweise sprach die Kultautorin über ihre ganz persönlichen Erfahrungen damit.
Ich hatte die große Freude, Ildikó von Kürthy für ein persönliches Interview zu treffen. Zu lange schon verehre ich die Autorin von Mondscheintarif für ihre Kunst, mit Worten zu fesseln. Ich hätte ich sie auch zu gerne um ein gemeinsames Foto vor einem hübschen Hintergrund gebeten, wie das halt so üblich ist, wenn man jemanden trifft, den man mag.
Daraus wurde nichts, denn Homeoffice, Workation und technologische Weiterentwicklung haben uns eingeholt. So kam es, dass ich in Athen auf einer dunkelbraunen Samtcouch meiner Tante saß und Ildikó von Kürthy in ihrem Heim. Wir beide waren wohl hübsch genug für ein Foto, nur der Bildschirm hätte die Verbundenheit nie einfangen können. Deshalb bleibt mir nur die Erinnerung, mit ihr über ihr neues Buch Eine halbe Ewigkeit gesprochen zu haben, in dem kommt auch das Thema Wechseljahre vor. Wie Ildikó von Kürthy ihre eigenen erlebt und gemeistert hat, erzählt sie in diesem Interview.
Mondschein-Tarif oder eine halbe Ewigkeit – was ist dir näher?
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Ildikó von Kürthy: In meiner jetzigen Lebensphase ist mir natürlich das aktuelle Buch näher. Die Überarbeitung von Mondscheintarif war eine Art Selbstbegegnung, eine Reflexion darüber, wer ich damals war und wer ich geworden bin. Ich habe in der Geschichte über Cora Hübsch mein jüngeres Ich wiedergefunden. Das aktuelle Buch entspricht meinem Lebensalter und den damit verbundenen Nöten, Ängsten, Freuden und Zweifeln. Die Cora Hübsch von damals hat auf einen Anruf gewartet. Die Cora Hübsch von heute wartet nicht mehr, sie nimmt die Dinge selber in die Hand.
Die Ängste und Nöte nehmen nie ab, oder?
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Ildikó von Kürthy: Sie verändern sich. Vor 25 Jahren lag so viel Leben vor mir, so viele Stationen, die ich erreichen und bewältigen wollte. Etliche Ängste haben im Lauf der Zeit abgenommen, andere sind hinzugekommen. Die Herausforderungen des Lebens hören nie auf, sie wandeln sich. Früher hatte ich Angst, etwas zu verpassen, nicht genug zu erleben, nicht genug zu gefallen und nicht genug zu erreichen. Das lässt mich heute völlig kalt.
Dein neues Buch thematisiert auch die Wechseljahre. Hast du dich schon davor dafür interessiert?
Ildikó von Kürthy: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das Thema völlig unterschätzt. Die Dramatik, die die Wechseljahre für den Frauenkörper und das Leben bedeuten, war mir nicht bewusst. Erst durch die erste Hitzewallung wurde mir klar, wie einschneidend das ist. Und zwar für jede Frau, egal, ob sie unter Symptomen leidet, oder nicht. Das Schreiben des Buches und die Resonanz darauf haben mir gezeigt, wie vernachlässigt das Thema ist und wie schlecht die Aufklärung darüber ist. Ich hatte ja selbst keine Ahnung, bevor es bei mir los ging. Es erstaunt mich im Nachhinein noch, wie wenig ich über die Wechseljahre wusste und wie wenig ich vorbereitet war.
Wie bist du mit den Symptomen und Beschwerden der Wechseljahre umgegangen?
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Ildikó von Kürthy: Wissen und Aufklärung haben mir sehr geholfen. Ich bemerkte zuerst seelische Veränderungen – ich wurde strenger, realistischer, stacheliger. Die Leichtigkeit, die ich früher hatte, machte einer neuen Ernsthaftigkeit Platz. Ich empfand das nicht als Verlust, sondern als eine willkommene Schärfung des Realitätssinns. Dann kamen die Hitzewallungen und die damit einhergehenden Schlafstörungen – die fand ich sehr schlimm. Hitzewallungen sind wie starke Schmerzen, bloß dass sie nicht weh tun. Aber sie absorbieren den ganzen Geist und lenken von allem anderen ab. Sie beeinträchtigten mein Leben stark. Ich saß in Talkshows und konnte weder denken noch reden. Ich hatte das Glück, und heute weiß ich, dass es wirklich ein Glück ist, dass ich bei einer Hormonspezialistin landete, bei der ich gleich sehr gut aufgeklärt wurde. Sie erklärte mir, was in meinem Körper gerade passiert und die Wirkungsweise von bioidentischen Hormonen. Diese Hormone haben mir sehr geholfen, nicht nur meine Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen, sondern auch mein Wohlbefinden und meine Lebensfreude.
Schlaflosigkeit und dadurch die Leistung nicht bringen zu können, war für mich ein großes Problem. Da sind bioidentische Hormone ein Gamechanger.
Ildikó von Kürthy: Wer nicht gut schläft, kann nicht gut leben. Das Leben wird mühsam und traurig ohne Schlaf. Viele Frauen leiden stark unter den Wechseljahresbeschwerden, verlieren Energie, Freude und Selbstvertrauen. Nicht wenige ziehen sich frühzeitig aus dem Arbeitsleben zurück oder lehnen Führungspositionen ab, weil sie sich den Herausforderungen nicht mehr gewachsen fühlen. Viel zu oft werden sie von ihren ÄrztInnen schlecht aufgeklärt. Das muss sich ändern. Jede Frau muss gut informiert entscheiden können, wie sie durch die Wechseljahre gehen möchte. Unnötig leiden darf keine.
Findest du es wichtig, offen darüber zu sprechen?
Ildikó von Kürthy: Selbstverständlich. Aufklärung ist entscheidend. In aller erster Linie müssen Ärzte und Ärztinnen genauer Bescheid wissen und Frauen beraten. Ansonsten gilt: Wechseljahre dürfen kein Tabu sein. Wer darüber sprechen möchte, soll darüber sprechen, wer sich austauschen möchte, soll Austausch finden und wer sich schämt, soll sich nicht schämen müssen und wer nicht darüber reden will, der soll nicht darüber reden, aber die Möglichkeit bekommen, sich zu informieren.
Wie hat dein Umfeld auf deine Wechseljahre reagiert?
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Ildikó von Kürthy: Ich wurde recht widerborstig, was bei meinen Söhnen und meinem Mann natürlich nicht nur Beifall ausgelöst hat. Ich finde, wir haben uns aber tapfer und gut zusammengerauft. Viele Beziehungen und Freundschaften verändern sich, weil Frauen in dieser Phase oft eine neue Klarheit und Energie entwickeln. Wenn die Partner dabei nicht mitmachen, geraten Ehen leicht in eine Schieflage. Ich sehe viele Frauen, die ihr Leben und ihre Männer kritisch betrachten und sich trennen. Der veränderte Blick auf das Leben führt oft zu entscheidenden Veränderungen.
Hat sich dein Sexualleben verändert?
Ildikó von Kürthy: Über mein Sexualleben spreche ich nicht, weil es auch das meines Mannes ist. Und der ist Hanseat und bedauerlicherweise außerordentlich diskret.
Bist du jetzt mehr im Reinen mit dir selbst?
Ildikó von Kürthy: Ja, ich schätze die Reife und Besonnenheit, die mit dem Alter einhergeht. Äußerliche Verschrumpelung bei gleichzeitiger innerer Reifung. Ich empfinde es als großen Gewinn, dass ich weniger darauf achte, anderen zu gefallen, sondern mir selbst. Diese innere Ruhe und Zufriedenheit sind für mich sehr wertvoll. Ich will nicht jünger sein oder jünger aussehen, als ich bin. Warum? Ich bin doch nicht umsonst 56 Jahre alt geworden, bloß um mich jetzt immer noch wie 20 zu fühlen.
Wie siehst du das Älterwerden und die gesellschaftliche Wahrnehmung davon?
Ildikó von Kürthy: Jungsein ist kein Wert an sich und Altsein kein Makel! Das Alter ist keine Krankheit, die es zu vermeiden gilt, sondern letztlich eine Lebensphase, wie jede andere auch. Ich möchte versuchen, ihr mit Hochachtung und Wertschätzung zu begegnen. Ich mag reife Gesichter, denen man ihr Leben ansieht. Die Fixierung auf jugendliches Aussehen ist dumm, anstrengend, teuer, zeitintensiv und lenkt vom Wesentlichen ab: Wacker zu welken.
Ein abschließender Gedanke?
Ildikó von Kürthy: Mein Leben ist bunt und vielschichtig, mit Höhen und Tiefen. Ich habe Abschiede erlebt und Katastrophen überstanden, wie wir alle. Das Leben ist nicht nur schön, es ist auch schrecklich und düster. Ich bin kein ständig glücklicher Mensch, aber ich finde mehr und mehr Frieden in der Akzeptanz der Realität des Lebens mit all ihren Facetten. Mein Blick wird schärfer. Je älter ich werde, desto genauer, schaue ich hin. Dabei verliere ich viele Illusionen und entdecke ungeahnte Schönheiten, an denen ich früher achtlos vorbeigegangen bin.
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