"Ich habe mir im Meeting alle Kleider vom Leib gerissen."
Hoteldirektorin Barbara Ludwig, 57, ist eine Powerfrau, die gerne arbeitet und ebenso gerne das Leben feiert. Ihre "zweite Pubertät" erlebte sie mit gemischten Gefühlen.
Ich darf mich vorstellen: Hallo, ich heiße Barbara, bin 57 Jahre alt, habe eine Tochter, einen Hund, ein Hotel und eine Bar in Wien. Ich arbeite 60 bis 70 Stunden in der Woche, und man sagt mir nach, ich hätte sehr viel Energie. Je mehr ich arbeite, umso mehr habe ich Lust aufs Feiern, das ist ein wichtiger Ausgleich für mich. Also alles in allem ein recht erfüllendes Leben. Außerdem trinke ich gerne ein, zwei Glaserln mit meinen Freunden und bin am Abend selten müde, dafür aber stets in der Früh, wenn der Wecker läutet. Das war schon immer so.
Nach dem 50. Geburtstag war plötzlich alles anders
%CONTENT-AD%
Das Thema Wechselbeschwerden hat für mich lange nicht existiert. Ich kann mich erinnern, dass mir meine Mutter, als ich 16 Jahre alt war, gesagt hat, dass sie jetzt keine Monatsblutung mehr bekommt und dass das sehr angenehm ist. Habe ich zur Kenntnis genommen, abgespeichert und dann bis zum meinem 50. Geburtstag nicht mehr daran gedacht. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich nach eben diesem Geburtstag einmal das Gefühl hatte, Grippe zu bekommen – da lag ich zwei Tage im Bett mit Schüttelfrost und Schweißausbrüchen. Danach war dann alles anders.
Schweißausbrüche und latente Aggressivität
%MEDIUM-RECTANGLES%
Schweißausbrüche, manchmal nachts, manchmal untertags, dazu kam eine latente Aggressivität, die mich selbst verwundert hat (als Frau im Berufsleben eigentlich nicht schlecht, die wird uns ja als Mädchen abtrainiert) und dazu war ich noch ziemlich empfindlich – also alles in allem ein ziemlich anstrengender Zustand. Glücklicherweise habe ich viele weibliche Mitarbeiterinnen, denen ich ehrlich meine Symptome geschildert habe – so humorvoll, wie möglich. Manchmal bin ich während eines Meetings in den Innenhof gerannt und habe mir quasi alle Kleider vom Leib gerissen, bis ich das Gefühl hatte, dass ich nicht mehr zerschmelze. Die Nächte waren teilweise auch anstrengend, weil ich bei jedem Schweißausbruch aufgewacht bin und mich abgedeckt habe, sobald ich wieder eingeschlafen war und die Wallung vorüber, bin ich wieder aufgewacht, da mir dann kalt war ohne Decke. Dementsprechend grantig war ich dann aber in der Früh.
Man muss sich wieder mit sich selbst beschäftigen
%EVENT%
Es ist ein Zustand, in dem man sich mit sich selbst wieder sehr beschäftigen muss – ähnlich wie in der Pubertät. Mit dem Unterschied, dass ich heute viel gefestigter bin, weiß, was ich will und wer ich bin – daher komme ich mit meinen Beschwerden besser klar. Schlechter als in der Pubertät ist das Gefühl, dass man älter wird und quasi im Spätherbst angekommen ist. Irgendwie ist es auch ein Makel, keine Kinder mehr bekommen zu können. Außerdem verformt – um nicht zu sagen – deformiert sich der Körper in verschiedene Richtungen, die nicht immer gut zu kaschieren sind und die auch mit regelmäßigem Fitnesstraining nur schwer unter Kontrolle zu halten sind.
Männer reagieren ein bisschen unsicher
%QUESTION%
Da ich einige Freundinnen habe, die auch wie ich im Wechsel sind, hat es mir sehr geholfen, mit ihnen darüber zu reden. Wenn man draufkommt, dass es vielen Frauen ähnlich geht – mit kleinen Abweichungen – fühlt man sich gleich besser. Und wenn man dann noch gemeinsam darüber Witze reißen kann, dann hilft das noch mehr: geteiltes Leid ist halbes Leid. Mit meinem Partner rede ich selten darüber, ich finde Männer reagieren immer ein bisschen unsicher, wenn Frauen über dieses Thema sprechen. Im Grunde können Sie sich wenig darunter vorstellen, die haben andere Probleme. Ich verschweige nicht, wenn ich eine Wallung habe, diskutiere aber nicht meine Befindlichkeiten, das tue ich nur mit meinen Freundinnen.
Alles Sein ist Veränderung, und ich bin dankbar dafür, dass es mir prinzipiell gut geht und ich ein erfülltes Leben habe.
Schreib einen Kommentar ( 0 )