Veronika Pelikan: "Was mich zur Gründung von Wechselweise.net motivierte"
Veronika Pelikan, 60, erlebte im Wechsel eine turbulente Zeit, lernte viel dazu – und kam zur Einsicht: Wir wissen zu wenig über die Wechseljahre.
Rückblickend betrachtet (heute bin ich 60) hätte ich gerne mehr gewusst. Denn vieles, von dem ich annahm, es wäre eben eine ganz normale unerfreuliche Begleiterscheinung meines fortgeschrittenen Alters (ich war damals 47) und ich müsste mich nun für den Rest meines Lebens damit abfinden, verschwand später mit der richtigen Therapie auf wundersame Weise.
Aber der Reihe nach.
Ein typisches Frauenleiden
%CONTENT-AD%
Ein Leben lang habe ich mich dagegen gewehrt, traditionelle Frauenrollen übergestülpt zu bekommen. Pünktlich einmal monatlich wurde ich jedoch daran erinnert, dass es Aspekte am Frausein gibt, an denen sich nicht rütteln lässt. Ich hatte die Periode heftig und schmerzhaft.
Abgesehen davon habe ich das Glück einer robusten Gesundheit und eines guten Verhältnisses zu meinem Körper. Ich konsultierte einen als fortschrittlich bekannten Frauenarzt, nahm pflanzliche Präparate und forschte in meiner Psyche. Irgendwann bekam ich das Problem mit starken Schmerzmitteln in den Griff, und noch später lernte ich auch, wichtige berufliche Termine an meinen Zyklus anzupassen.
Die Pille habe ich nach etwa zwei Jahren der Einnahme abgesetzt und nie wieder genommen. Die Hormone hatten bei mir zu einem so starken Lustverlust geführt, dass ich mit Pille so gut wie kein Sexleben hatte und sich die Einnahme somit erübrigte.
Diagnose Endometriose und Bildungslücken
%MEDIUM-RECTANGLES%
Dass Endometriose der Grund meines Leidens war, kam erst heraus, als ich mit etwa 30 eine Eileiterschwangerschaft hatte. Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie großartig die Errungenschaften der Schulmedizin sind. Sie hat mir nicht nur das Leben gerettet, ich konnte mich auch einer Therapie unterziehen, die mich ein für alle Mal von den periodischen Schmerzen befreit hat.
Nach dieser Episode blieb bei mir die Erkenntnis zurück, dass selbst manche Frauenärzt:innen Bildungslücken in Sachen Frauengesundheit haben. Eine Erkenntnis, die sich im Laufe der Vorarbeiten zu Wechselweise noch verstärkt hat – mehr dazu später.
Der inneren Unruhe davonlaufen
Meine Prämenopause setzte mit etwa 45 ein, der Zyklus wurde unregelmäßig und verkürzte sich schließlich auf oft weniger als drei Wochen. Mein Frauenarzt verschrieb mir ein Gelbkörperpräparat – ob es bioidentes Progesteron war oder etwas anderes, weiß ich heute nicht mehr, jedenfalls besserte es meine Zustände.
Ich erinnere mich vor allem an eine große innere Unruhe, gegen die Schwimmen und Laufen halfen. Zwei oder drei Mal suchte ich einen Kardiologen auf, weil ich immer wieder in den merkwürdigsten Momenten starke Herzklopfen hatte. Ein 24-Stunden-EKG wurde verordnet, aber nichts Auffälliges gefunden. Dass die hormonellen Veränderungen der Grund sein könnten, erwähnte der Kardiologe nicht.
Eine turbulente Zeit
Mein Beziehungsleben war damals so turbulent, dass ich nicht sagen kann, ob meine Stimmungsschwankungen auf die hormonellen Veränderungen oder die den Beziehungsturbulenzen folgende Trennung zurückzuführen waren. Dennoch habe ich diese Zeit als anstrengend, aber auch toll in Erinnerung: Ich stürzte mich in die Arbeit, veranstaltete Partys und war wunderbar unabhängig.
Anzumerken ist hier vielleicht, dass ich keine Kinder habe – und auch nie den ausgeprägten Wunsch hatte, Mutter zu werden.
Über mein Leben legte sich ein grauer Schleier
Meine letzte Monatsblutung hatte ich mit 49 – etwa um die Zeit, als meine Mutter starb, zu der ich ein sehr enges Verhältnis hatte. Über mein Leben legte sich ein grauer Schleier. Was ich als ganz normal empfand, schließlich war ich ja in Trauer.
Zwei Jahre später war der graue Schleier immer noch da. Ich konnte nachts nicht schlafen, mein Rücken schmerzte und für Sex fühlte ich mich zu gestresst. Ich dachte: So ist das also, wenn man älter wird! Jetzt ist wohl für immer Schluss mit lustig.
Ich habe dann einen Hormonspezialisten aufgesucht und – unter seiner Kontrolle – alles Mögliche ausprobiert. Zunächst vor allem Progesteron. Gegen eine Östrogensubstitution habe ich mich anfangs gewehrt, wegen meiner schlechten Erfahrungen mit der Pille und den warnenden Berichten – eine meiner Großmütter ist an Brustkrebs gestorben.
Mein Arzt ging sehr umsichtig vor
Mein Arzt ging sehr umsichtig vor. Er verordnete eine genetische Analyse, um diverse Risiken auszuschließen, halbjährlich wurden Blutwerte erhoben. Es hat einige Zeit gedauert, die richtige Kombination zu finden, und ich habe dabei viel gelernt. Ich las Bücher über bioidente Hormone und über die Folgen der hormonellen Umstellungen auf die Vorgänge im Körper. Ich erfuhr erstmals, dass Herzrasen, Gelenkschmerzen und das Gefühl von Ameisen unter der Haut Symptome der Wechseljahre sein können. Ein Aha-Erlebnis war die starke Wirkung, die DHEA auf mich hatte – davor hatte ich nie davon gehört, dass auch Testosteron bei der Hormonsubstitution bei Frauen eine Rolle spielen kann.
Ich bin wieder ich selbst …
%EVENT%
Heute habe ich das Gefühl, endlich wieder ich selbst zu sein. Der graue Schleier ist weg. Ich substituiere (unter ärztlicher Aufsicht) immer noch geringe Mengen und habe, denke ich, ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was wie wirkt. Ich bin zuversichtlich, noch viel Leben vor mir zu haben und freue mich darauf.
… und möchte zur Aufklärung beitragen
Und ich freue mich, dass ich meine Erfahrungen und das erworbene Wissen nun auch weitergeben kann. Seit mich meine Freundin und Kollegin Janina Lebiszczak vor etwa zwei Jahren zum ersten Mal auf das Thema angesprochen hat, sehen wir an allen Ecken und Enden, wie wichtig Aufklärung zum Thema Wechseljahre ist. Viele Frauen werden von dieser Lebensphase so überrascht wie ein Mädchen, das zum ersten Mal die Periode bekommt und nicht aufgeklärt wurde. Und irgendwie lassen sich die beiden Lebensphasen ja auch vergleichen: Die Hormone bauen den Körper radikal um.
Brechen wir ein Tabu!
%QUESTION%
Erstaunlicherweise sind die Wechseljahre immer noch Tabu-behaftet. Rückblickend ist es mir völlig unverständlich, warum ich so wenig über das Thema wusste, das jede Frau betrifft (und Männer übrigens auch). Und ich bin immer wieder verwundert, wenn ich in Social Media-Gruppen lese, dass sogar Ärztinnen leidgeplagte Frauen mit der Feststellung abspeisen Sie sind halt im Wechsel, da müssen Sie durch.
Immerhin leiden zwei Drittel aller Frauen unter Wechselsymptomen, die die Lebensqualität beeinträchtigen, bei einem Drittel aller Frauen auch massiv. Doch um etwas dagegen unternehmen zu können, müssen die Symptome zuallererst richtig gedeutet werden. Voraussetzung dafür ist Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem Thema, auch von ärztlicher Seite.
Eine neue Lebensphase
In den nächsten Jahren kommen mit den Babyboomern geburtenstarke Jahrgänge in den Wechsel. Die Wechseljahre werden dann ein Viertel der Bevölkerung (also alle zwischen 45 und 60 Jahren) beschäftigen – und sie haben auch positive Aspekte. Viele Frauen fühlen sich nach dem Wechsel erleichtert, freier oder ermutigt, etwas Neues zu beginnen. Auch davon soll auf Wechselweise.net die Rede sein, und ich freue mich sehr auf diese spannende Herausforderung.
Schreib einen Kommentar ( 0 )