Grischka Voss: Ich stufte mich als hochgradig gemeingefährlich ein."
Von der persona non grata zur Vorkämpferin: Die Schauspielerin und Autorin musste hart um ihren Optimismus kämpfen. Und schrieb ein Stück über die Wechseljahre.
Angefangen hat es damit, dass ich sehr wütend war. Mein Mann hatte mich nach fast zwanzigjähriger Beziehung verlassen und ich – mit damals 48 Jahren – ein großes, sexuelles Nachholbedürfnis. Eine Weile ließ ich es an den Wochenenden so richtig krachen. Innerhalb kürzester Zeit musste ich feststellen, dass ich im Schulumfeld meines Sohnes zur persona non grata geworden war, Mütter ihre Ehemänner von mir wegrissen und sich plötzlich niemand mehr mit mir unterhalten wollte.
Im beruflichen Umfeld war das anders: Ich schrieb und spielte damals ein sehr offensives Ein-Frau-Stück über die Lust der Frau, weibliche Körperflüssigkeiten, weibliche Tabus, das vielen Frauen großen Spaß machte. Nach einer Vorstellung schenkte mir eine Zuschauerin eine Graphic Novel (Francine und die total heiße Phase) mit dem Kommentar, ich solle bitte über dieses Thema mein nächstes Stück machen: Es sei ein noch viel größeres Tabu.
Hellwach in der Wolfsstunde
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Ich (damals 50) dachte mir Aha und legte es auf den Stapel für die noch zu lesenden Bücher. Etwa ein halbes Jahr später wollte ich in der Früh aufstehen und konnte plötzlich weder meine Knie durchstrecken noch meine Arme. Ächzend vor Gelenkschmerzen bewegte ich mich im Schneckentempo durch die Wohnung, voller Panik, ich könnte unter plötzlicher Arthrose oder frühzeitiger Versteinerung leiden. Fast gleichzeitig bekam ich Schlafstörungen, und wachte jede Nacht gegen drei Uhr auf, zur sogenannten Wolfsstunde, wie ich Internet las. Sehr witzig.
Ich begann weiter zu recherchieren und stieß schließlich auf Wechselbeschwerden. Quasi wie auf Knopfdruck bekam ich zur Bestätigung meine erste Wallung. Ich erinnerte mich wieder an die Graphic Novel, die mir die Zuschauerin geschenkt hatte, auf deren Cover eine verzweifelte, schwitzende Frau abgebildet war. Nach der Lektüre der (offensichtlich extrem schrecklichen) Wechselbeschwerden der Verfasserin war ich niedergeschlagen, legte das Buch weg und beschloss weiter zu recherchieren. Und dachte mir dabei: Der Wechsel kann doch nicht das absolute Ende, das pure Grauen, nur Verdammnis und Verwesung sein!
Wild auf alles Blutrote
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Meine Regelblutungen waren schon seit einiger Zeit sehr heftig ausgefallen, man konnte von regelrechten Blutorgien sprechen. Ich hatte permanenten Eisenmangel, war fixiert auf alles, was rot und essbar oder trinkbar war. Das hatte vielleicht auch damit zu tun, dass ich, seit ich Ende Zwanzig war, unter starker Endometriose litt, immer wieder Zysten hatte und bei einer meiner zahlreichen Operationen beinahe verblutet wäre. Wie auch immer, meine Blutungen wurden immer unberechenbarer und ich dachte mehrmals, ich wäre bereits im trockenen Bereich.
Aber nein, völlig unverhofft wurde ich zum Beispiel während eines Drehtags von der Regelblutung überfallen und musste meine jungen Kolleginnen fragen, ob sie mir aushelfen könnten. Als sie mir Tampons in der Größe mini und Binden mit der Dicke eines Taschentuchs darboten, wusste ich nicht, ob ich weinen oder schreien soll. Ich ackerte mich weiter durch Bücher über das Klimakterium, erfuhr so manches Wissenswerte, fand aber den Tenor immer eher negativ und deprimierend. Das ärgerte mich, weil ich eine besessene Optimistin bin.
Geschlechtlos und unsichtbar
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Ich (nun 52) beschloss ein Stück über den Wechsel zu schreiben, etwas, das diese Lebensphase positiv beleuchtet, darüber aufklärt, Frauen Mut macht und sie zum Lachen bringt. Also recherchierte ich weiter, auch auf Wechselweise.net, führte zahlreiche Gespräche mit Frauen, ihre Erfahrungen damit, ihre Beschwerden. Mir fiel auf, dass sich fast jede Frau als geschlechtslos und unsichtbar empfand, seit sie im Wechsel sei. Auch fehlte es den meisten, mich eingeschlossen, komplett an Wissen und Information über das Klimakterium. Das will ich ändern, dachte ich mir und arbeitete mit feurigem Eifer weiter an meinem Stück.
Es gibt Hilfe – holt sie euch
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Parallel dazu nahmen meine Hitzeanfälle akut zu, auch nachts. Ich war nach fünf Wochen ohne eine einzige Nacht, in der ich durchschlafen konnte, in einem Zustand höchster Gereiztheit und Verzweiflung. Ich stufte mich als hochgradig gemeingefährlich ein und schleppte mich zu einer neuen Gynäkologin. Mit zuckendem Augenlid erzählte ich ihr von meinen Problemen und flehte sie um Hilfe an. Ich bekam bioidente Hormone verschrieben, Estradiol gegen die Wallungen und Progesteron-Gel gegen die Schlafstörungen.
Noch am selben Abend schmierte ich das Progesteron in meine Armbeugen und konnte erstmals wieder schlafen – ob aus totaler Erschöpfung oder weil das Gel tatsächlich so schnell wirkte, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. All meine Beschwerden verschwanden innerhalb kürzester Zeit.
Ich lasse nun regelmäßig meinen Hormonstatus überprüfen, habe die bioidenten Hormone wieder abgesetzt, weil ich derzeit völlig beschwerdefrei bin und bin sehr erleichtert, weil ich jetzt weiß, dass es Hilfe gibt und ich sie in Anspruch nehmen kann.
Mein Stück mit dem Titel F*ING HOT! ist mittlerweile fertig und ich freue mich auf die Proben – Premiere ist am 16.1.2023 im Theater Drachengasse. Jetzt muss ich nur noch den Text lernen. Seit ein paar Tagen fällt mir auf, dass ich extrem verwirrt und vergesslich bin. Dauernd fallen mir Worte nicht ein. Aber ich bin mir sicher, auch dafür gibt es irgendeine Lösung. Nur nicht die Nerven verlieren. Ich bin jetzt 53 Jahre alt. Glaube ich zumindest.
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