Gabriele Kuhn: "Frauen sind wir, prall an Lebenserfahrung, Lust und Humor"
Einer der bekanntesten Kolumnistinnen unseres Landes erzählt: Gabriele Kuhn, Jahrgang 1960, über Lachen, Loslassen, freudvolle Momente und die wahre Befreiung.
1975, ich bin 15 Jahre alt: Meine Mutter sitzt mit ihrer Schwester, meiner Tante also, in der Küche und raucht. Im Grunde raucht sie immer, aber diesmal noch mehr. Die Stimmung scheint schlecht, Wortfetzen erreichen mich: Myom. Depression. Und: Das muss der Wechsel sein! Mama, bedrückter denn je. Den Rest höre ich nicht, es wird geflüstert. Komisches, bedrohliches Gefühl.
Darüber reden wir nicht
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Warum ich diese ferne Episode meines Lebens erzähle? Mütter prägen ihre Töchter – auch durch die Art und Weise, wie sie mit ihrer Menstruation oder, später, der Menopause, umgehen. Es ist ein Vorleben. Mehr als die Geschichte von oben habe ich aber nicht. Es ist nur ein Mini-Ausschnitt, am Ende weiß ich nicht, wie es ihr wirklich damit ging. Ein vager Eindruck von ungut und unangenehm, vielleicht. Starke Schwingungen eines Tabus: Darüber reden wir nicht. Und wenn, dann nur rauchend, in der Küche, leise gepeinigt von einer Zumutung namens Alter. Ich hätte – eines Tages – gerne darüber mit ihr gesprochen. Doch dazu hatte ich nicht mehr die Gelegenheit, wenige Jahre später war sie tot. Lungenkrebs, das Rauchen.
Energielos und angeödet
Ich bedaure das, weil ich mich von dieser Art von Mutter-Tochter-Weisheit unterstützt gefühlt hätte. So aber war ich auf mich allein gestellt, in der Schwangerschaft, bei der Geburt und in den Wechseljahren. Viele Jahre klammerte ich mich an folgenden Satz meiner Gynäkologin: Sie haben mit 40 noch ein Kind geboren, also kommen Sie eh erst später in den Wechsel. Wow. Ich im nachgeburtlichen Nonstop-Hormonrausch, noch dazu mit einem zehn jüngeren Mann an meiner Seite. Doch die Zeit rast. Und so musste ich mich eines Tages fragen, warum ich keinen Rotwein mehr vertrage. My beloved Rotwein!
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Da war ich ungefähr 50, 51 oder 52 Jahre alt (Sorry für die ungenauen Angaben, ich bin heute 61, habe keine Ahnung mehr, wann das alles begann). Ich stand morgens von nix verkatert vor dem Spiegel und rätselte: Ist es das jetzt? Ist es so weit? Mir war heiß, mein Herz pulsierte, dazu Kopfweh. Und dann, bam: Nahezu täglich, irgendwann, jagende Hitze, bei Stress noch mehr rote Flecken am Hals, innere Unruhe und Schlafstörungen nach dem Genuss von zwei Achteln. Eines Tages: Blut. Blut. Blut. Menstruation ohne Ende. Wochenlang. Ich – Schatten meiner selbst, leer, energielos, angeödet, angeekelt. Arztbesuch, Klarheit: Shit, tatsächlich. Es ist so weit.
Weisheit der Wechseljahre?
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Da wusste ich: Davonrennen gilt nicht. Lass es geschehen. Ich hätte mir niemals irgendwelche Jungbrunnen-Hormone in den Körper gejagt. Stattdessen fing ich an, viel zum Thema zu lesen, von der Weisheit der Wechseljahre und unserer aller Angst vor dem Altwerden in einer altersfeindlichen Kultur. Ich fand mich ein, in einer veränderten Rolle, und darin hatte der Begriff Mädelsrunde, wie Damen 50+ ihre Treffen oft nennen, plötzlich einen schalen Nachgeschmack. Hallo? Weiber sind wir! Gestandene Weiber. Frauen, prall und reif an Lebenserfahrung, reflektierter Lust und erdigem Humor. Eines Tages hörte ich auf, monatlich zu bluten. Und es war gut.
Mehr Mut zum Nein
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Wie es mit den Wechselbeschwerden sonst so war, ehrlich: ich weiß es nicht mehr so genau. Ich würde lügen, könnte ich die Symptom-Biografie wiedergeben. Weil's nicht dramatisch war. Vermutlich hatte ich Glück. Vielleicht war's auch meinem Lebensstil geschuldet, mit Sport, guter Ernährung abseits der Leberkäs-Semmerl-Fraktion, samt Gelassenheit und einer tiefen Sehnsucht nach praktizierter Lebenskunst. Die meisten Symptome gingen so schnell wie sie kamen. Die Dauer-Blutungen bekam ich mit TCM und Akupunktur in den Griff. Das mit dem Rotwein änderte sich auch wieder, wie von allein (Cheers!).
Depressionen blieben aus, ebenso wie gigantische Wallungen, hie und da transpirierte ich mich durch eine Redaktionskonferenz. Nach wie vor nehme ich Isoflavone, also sekundäre Pflanzenstoffe, wie sie etwa in Rotklee oder Soja vorkommen. Möglicherweise wurde ich im Wesen etwas zackiger und ungemütlicher, insofern, als ich besser Grenzen ziehen kann. Nicht immer, aber immer öfter. Mich einsetze, für mich, und für das, was ich brauche, um zufrieden zu sein. Ich verordne mir mehr Mut zum Nein, mitunter radikal. Verschreibe mir Lachen, Loslassen, freudvolle Momente, und zugleich mehr Stille denn je. Ein bei mir sein, wurscht, was andere von mir erwarten und wollen. Vor allem aber jage ich nicht mehr der Illusion nach, dass ich ewig elastisch, ewig knackig und ewig faltenlos sein muss. Und darin liegt die wahre Befreiung.
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