Evi Hellweger: "Wenn Pubertät auf Wechseljahre trifft, geht's rund"
Sie ist Coach für Frauen und nennt sich Ressourcen-Aktiviererin. Für Wechselweise beschreibt sie den Kampf mit sich selbst im Angesicht der Jugend der eigenen Tochter.

In den Südtiroler Bergen großgeworden, lebte ich meine jungen Erwachsenenjahre in internationalen Metropolen beruflich und privat auf der Überholspur. Und dachte später, mit Anfang 40, das Altern betrifft mich nicht. Ich stürmte mit meinen Sporty-Spice-Girls die Dreitausender der Alpen, blieb im Herzen immer noch ein Lausmädel, und auch optisch wurde ich deutlich jünger geschätzt. Das Geburtsdatum im Pass waren nur unbedeutsame Ziffern und der Begriff Menopause klang altbacken in meinen Ohren. Mein Frauenarzt attestierte mir flotte Follikel und spritzige Eisprünge. Wechseljahre? Die kriegen wahrscheinlich nur andere.
Wenn die Peri-Menopause attackiert
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Doch Mitte 40 suchte mich ein hinterhältiger Angriff aus dem Nichts heim: Als bekennende Siebenschläferin war ich auf einmal lange vor dem Vogelgezwitscher wach. Das Bedürfnis nach Zeit und Platz für mich war schlagartig allgegenwärtig, ich empfand meine Träume als zu lange unter den Teppich gekehrt, zeitgleich schwanden dafür die ausgeprägten hausfraulichen Ambitionen. Die Pferde meiner Emotionen gingen öfters mit mir durch und ich konnte aus vollem Hals lachen und einen Atemzug später herzzerreißend weinen, da reichte die bloße Existenz eines Hundewelpen.
Einschneidend war jedoch dieser eine Februar, als der Progesteron-Mangel sich – gefühlt plötzlich – mit körperlichen Veränderungen bemerkbar machte. Morgens standen meine 14-jährige Tochter und ich vor dem Badezimmerspiegel, im grellen Licht bewunderte ich die dichten, langen Haare, die makellose, pralle Haut und den vollen Mund meiner Großen. Daneben stand ich, die Haare zerrupft, das Gesicht fahl und faltig, und zu allem Überfluss trug ich ein Träger-Shirt, das die schlaffe Haut an den Oberarmen betonte. Beim Anblick dieser gnadenlosen Kontraste musste ich schlucken, denn so offensichtlich war die metertiefe Gletscherspalte zwischen jugendlicher Blüte und wechseljähriger Reife noch nie zuvor gewesen.
Ich, das wütende Alien im Familienbund
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Als Coachin für Frauen hatte ich mich intensiv mit Themen wie Hormonturbulenzen und innerer Schönheit beschäftigt. Die Micro-Traumata der Jugend waren aufgearbeitet, die eingeheimsten Liebeskörbe und der kleine Selbstwert vergessen. Und ohne meine Brille fand ich das Gesicht, das aus dem Spiegel blickte, glatt und frisch. Meine Mama-Rolle erfüllte mich und es schien, als hätte ich bei der Erziehung nicht alles falsch gemacht. Und doch geschah es, dass über Nacht die Kommunikation meiner zwei Teenage-Girls auf ein absolutes Minimum fiel. Wortfetzen wie Chill mal oder Egal umfassten das komplette Sprachrepertoire, untertags verschanzten sie sich in ihren eigenen vier Wänden. Was war aus Werten wie Verbundenheit und Empathie geworden, die ich ihnen über die Muttermilch infiltriert hatte? Schlug etwa die Pubertät mit voller Wucht zu, während ich erste Anzeichen der Peri-Menopause spürte?
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Was mich auch beschäftigte war, dass ich insgeheim von ihrem Drang nach Autonomie und dem klaren, wortkargen Dialog beeindruckt war. Ohne viel Tamtam schafften sie das, was ihre Mutter dringend brauchte, auf den Punkt zu bringen: Wir befinden uns in einer hormonellen Achterbahnfahrt und sagen NEIN zu unzumutbaren Dingen wie Mithilfe im Haushalt und Gesprächen, weil wir grad damit beschäftigt sind, uns selbst zu finden.
In steilem Kontrast dazu stand meine Unfähigkeit, Bedürfnisse knackig zu formulieren, da meine kurze Zündschnur bei frechen Aussagen sofort Feuer fing. Die ursprüngliche Gelassenheit war irgendwo in der Gehirn-Nebel-Suppe verloren gegangen – als wütendes Alien im Familienbund fühlte ich mich fehl am Platz. Außerdem attestierte man mir Dauer-Blödheit: Gabs keinen Butterkäse für das Jausenbrot, war ich blöd. Hatte ich vergessen etwas zu unterschreiben, war ich doppelt blöd. Obendrein fand ich mich selbst auch noch blöd, da ich mich als Hormon-Teufelin nicht gut leiden konnte. Diese Emotionen zwangen mich jedoch nicht in die Knie – es war das Bild im Badezimmer, das mich schwer traf.
Wie ich aus dem Tal der Tränen aufstieg
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Ist im Leben Feuer am Dach, fahre ich scharfe Geschütze auf und sage Manege frei für die unbewussten Ressourcen. Sie sind dem Verstand stets einen Schritt voraus und können auch im hormonellen High-Noon aktiviert werden. Das Unbewusste spricht über Bilder und Emotionen und ich suche mir etwas aus, das starke und gute Gefühle in mir auslöst. Um diese angenehme Empfindung baue ich einen Slogan, der mich überzeugt und mitreißt und gehe die nächsten Steps für mehr Selbstwirksamkeit: I proudly present the embodiment - die Körperhaltung, Atmung und Mimik. Diese Signale versteht unser Geist, selbst wenn das emotionale Pulverfass zu explodieren droht. Ich nehme also einen imposanten Ausdruck ein, eine Haltung, die mich aufrichtet, stärkt und beruhigt. Denn so ändert sich die Biochemie des Körpers, der Testosteron-Spiegel steigt und das Stresshormon Cortisol nimmt ab.
Für mehr Alltagstauglichkeit baue ich diese Ressourcen-Anker in meine Umwelt ein, sie erinnern mich wie ein funkelnder Cocktailring an meinen Selbstwert und lässt mich unwiderstehlich fühlen. Weitere Anker zeugen von den wundervollen und verrückten Geschichten, die ich in 47 Jahren auf dieser Welt erlebt habe. Am Handgelenk trage ich nicht nur symbolisch den Lebensbaum, ein Symbol für Wachstum und Stabilität, auch bei widrigen Umständen.
Mein Fazit? Mit einem guten Ressourcen-Proviant im Rucksack lässt sich die feurige Hormon-Kombi von Wechseljahren und Pubertät selbstwirksam und humorvoller meistern. Vielfach hilft bereits eine Prise Offenheit und ein Austausch mit Gleichgesinnten, um weniger einsam mit diesen Themen zu sein. Denn oftmals verursacht das schamhafte Runterschlucken hinter verschlossenen Türen die größten Beschwerden. Es ist höchste Eisenbahn, mehr Bewusstsein für die Natürlichkeit, Schönheit und Herausforderungen der Lebensmitte zu schaffen und sie zu enttabuisieren.
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