"Es tut manchmal weh, aber es macht mich lebendig."
Ein wilder Ritt am Rollercoaster: Künstlerin Ulla Banny-Reiter hat beschlossen, die seelischen und körperlichen Veränderungen in ihrem Leben willkommen zu heißen.
Ich bin Ulla. Eine Frau mit fast 52 Jahren, die sich mit Veränderungen bestens auskennt. Über jene, die durch die Wechseljahre bedingt sind, kann ich nicht allzu ausgiebig erzählen – laut einem Gynäkologen und dem Hormonstatus ist es nämlich noch gar nicht so weit. Nun ja. Na, dann wird es wohl etwas anderes sein, dass meine Periode verschiebt oder ganz ausbleiben lässt. Auch die Schlafstörungen, die mich plagten und die ich mit Cimicifugawurzelstock-Tabletten wieder in den Griff bekam, könnten vom Stress gekommen sein – oder auch nicht. Wie es sich bei den Frauen in meiner Familie generell mit den Wechseljahren verhält, kann ich nicht sagen – da ist niemand mehr, den ich fragen könnte. Und der weibliche Körper scheint auch im Jahre 2021 offenbar noch nicht so erschlossen, wie man es sich wünschen würde.
MEHR SPORT - WENIGER HAARE
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Auf meinen Körper jedenfalls habe ich immer geachtet, aber mit der Zeit und dem Kind war der Sport in den Hintergrund gerückt – bis sich die sogenannten Love Handles bemerkbar machten. Ein No-Go für mich, ich begann wieder mit einem regelmäßigen Fitnessprogramm. Unregelmäßig wurde allerdings meine Periode – es gestaltete sich sogar zeitweise mühsam das Haus zu verlassen, weil innerhalb kurzer Zeit alles voll geblutet war. Sehr unangenehm, sehr energieraubend – aber zum Glück kein Dauerzustand. Was mich mehr beunruhigte, war der phasenweise starke Haarausfall. Da ich lange Haare habe, sah die Badewanne oft aus, als wäre eine halbe Perücke darin zerrupft worden. Diese Phasen kommen und gehen nach wie vor und stören mich sehr, da ich früher nie Haare verloren habe.
EIN BRODELNDER VULKAN
Worauf ich auch wirklich verzichten könnte, sind diese unglaublichen Müdigkeitsattacken. Es fühlt sich an als würde jemand den Stecker ziehen, ich könnte in der Sekunde zusammensacken wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hat. Ich versuche, diese Zustände zu überstehen und hasse sie. Und gleichzeitig bedauere ich mich dafür, dass ich mir diese körperliche Schwäche nicht zugestehe. Tja, so hat man wohl immer an sich zu arbeiten.
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Was allerdings ausblieb und worauf ich mich eigentlich sogar gefreut hatte, waren die berühmten Hitzewallungen. Mein Leben lang schon neigte ich zum Frieren – wobei ich mittlerweile nicht mehr ganz so kälteempfindlich bin, wie früher. Dafür wurde mein Temperament sehr heißblütig. Meine Stimmung kippte immer häufiger und ich verlor wesentlich schneller als sonst die Nerven. An sich bin ich kaum aus der Ruhe zu bringen, plötzlich war ich ein ständig brodelnder Vulkan. Das war auch ein Grund, wieder mit den Cimicifugawurzelstock-Präparaten anzufangen – und diesmal nahm ich noch Johanniskraut dazu.
STOPP SAGEN KÖNNEN
Ich denke, die sanfte Unterstützung half – genau kann ich es nicht beurteilen. Aber vielleicht habe ich auch einfach bloß Frieden mit diesem neuen Wesenszug geschlossen. Denn die gereizte Stimmung hatte einen für mich durchaus positiven Effekt. Ich sagte viel früher, wann Schluss ist, was nicht geht – und trennte mich sogar von einigen Menschen in meiner Umgebung. Ich fühlte mich befreiter. Zeitweise kam (und komme ich mir) dabei vor wie ein Kind in der Trotzphase. Zornig, verzweifelt, weinend, ein Häufchen Elend, verwirrt auf der Suche nach Orientierung. Einer Grenze, an die man sich anlehnen kann und weiß, dass alles gut wird. Und so wie Kinder der Trotzphase entwachsen, habe auch ich gelernt, damit zu leben.
INTENSIVER ERLEBEN
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Noch besser sogar: Ich begann, meine Gefühle irgendwann zu genießen. Dieses ständige Rauf und Runter hat den Nebeneffekt, dass ich alles viel intensiver wahrnehme. Musik etwa mochte ich immer schon, aber ich war nie nah am Wasser gebaut. Plötzlich konnte ich mich bei manchen Songs kaum mehr beherrschen und wollte am liebsten aus Rührung losweinen. Ich bin berührbarer geworden – und habe die Entscheidung gefällt, das zu genießen und zu lieben. Die Musik, die Liebe, meine Arbeit, meinen Körper. Auch die fiesen Sachen, die unangenehmen Befindlichkeiten – es tut manchmal weh, aber es macht mich lebendig. Life is a Rollercoaster. Wenn es mal abwärts geht, dann wenigstens mit Vollgas und Spaß. Rauf geht es danach ja fast automatisch.
Vaginalcreme auf die Füsse
Und manchmal funktioniert es nur mit Humor und Gelächter. Zum Beispiel, als meine Füße letztes Jahr so schmerzten, dass jeder Schritt zur Qual wurde. Der Apotheker schickte mich nach einem launigen Gespräch mit einem ungewöhnlichen Auftrag weg: Nämlich meine Fußsohlen mit östrogenhaltiger Vaginalcreme einzuschmieren, da sich durch den Mangel an Östrogen auch das Bindegewebe an der Sohle verändert. Also fleißig geschmiert und Füße trainiert. Bald verschwanden die Schmerzen wieder – und wenn's wieder sein muss, schmiere ich mir das Zeug gerne auch sonst wohin. Schmunzeln muss ich allein beim Gedanken – eine wirklich gute Medizin!
Ich fühle mich wohl
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Was außerdem sehr gut tut: Meine positiven Vibes werden auch von anderen bemerkt. Junge Frauen und auch wieder Männer sagen mir plötzlich, wie toll sie meinen Style und meine Ausstrahlung finden. Das gab es früher nicht. Auch das Erreichen meiner persönlichen Fitnessziele ist ein ungewöhnliches Highlight – ich genieße das sehr. Kurzum: Ich habe mich noch nie wohler in meinem Körper gefühlt als jetzt, mit allen Hochs und Tiefs. Und ich will diesen Zustand so lange behalten, wie es nur geht. Es gibt heutzutage für nahezu jedes Wehwehchen irgendein Mittel oder eine Strategie. Man muss nur danach fragen, sich manchmal durchprobieren und auch hin und wieder Geduld walten lassen. Aber es gibt Hilfe. Keine Frau muss alles durchmachen. Wir sind nicht allein.
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