Morden in der Menopause: Das Interview zum ersten Wechsel-Krimi
Kein weiteres Sachbuch, sondern eine Lebensreise mit fatalen Folgen. Wir sprachen mit Autorin Tine Dreyer über Wechselsymptome, Enttabuisierung und Altersdiskriminierung.
An dieser Stelle fragten wir uns vor einiger Zeit: Kommt jetzt der Wechseljahre-Thriller"?. Immerhin hat unser liebstes Thema bereits längst und erfolgreich die Popkultur erobert. Anlassfall war, dass der renommierte Verlag HarperCollins bei der Schaffung eines neuen Genres – des Menopause-Thrillers – eine Vorreiterrolle übernommen hatte. Sprich: Bücher verlegen will, in denen Frauen in den Wechseljahren (und auch danach) als kluge, witzige und starke Figuren dargestellt werden, die sich wehren können.
Übrigens: HarperCollins unterstützt auch seine Mitarbeiterinnen mit Wechsel-Symptomen tatkräftig und will Führungskräfte darüber aufklären, wie sie unterstützen – oder zumindest nicht schaden - können.
Wechseljahre-Krimi: Hormone töten – und zwar andere
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Nun gibt es im deutschsprachigen Raum bereits etliche Publikationen zu den Wechseljahren, sogar zur Enttabuisierung des Alterns – meistens sind es Fachbücher, die wir auf Wechselweise regelmäßig vorstellen. In dem Werk, das wir heute präsentieren, geht es aber nicht um hilfreiche Tipps oder Gesellschaftspolitik. Mit Morden in der Menopause ist soeben der erste Wechsel-Krimi der Welt erschienen.
Der Plot, grob umrissen: Die 48-jährige Liv ist Ehefrau, Mutter von drei Kindern und arbeitet erfolgreich als Küchenplanerin. Mit den Wechseljahren hat sie sich noch nie befasst. Stimmungsschwankungen, Hitzewallungen, klar, davon hat sie schon gehört. Aber dass eine Hitzewallung tödlich enden kann, damit hätte sie nun wirklich nicht gerechnet. Und wahrscheinlich auch nicht der Typ, der ihrem pubertierenden Sohn eigentlich nur ein paar Drogen verkaufen will und Liv dabei so provoziert, dass sie ihm den Schädel einschlägt.
Ab da gerät ihr wohlgeordnetes Leben gehörig aus den Fugen. Denn die eine Leiche bleibt nicht lange allein, und jeder neue Tote sorgt für neue Probleme. Aber immerhin auch dafür, dass Liv sich über ihren verdammten Hormonhaushalt informiert und endlich aufhört, sich zwischen Familie, Job und Haushalt aufzureiben. Kurzum: Morden in der Menopause erzählt die Geschichte einer Frau, der der Kragen platzt – und zwar so gewaltig, dass ein paar Leute über die Klinge springen müssen.
Interview: Je mehr die Gesellschaft weiß, umso besser für alle!
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Wer dahinter steckt? Tine Dreyer ist das Pseudonym einer Autorin, die seit Jahren erfolgreich Kriminalromane sowie Drehbücher schreibt. Nicht nur alterstechnisch ähnelt sie ihrer Protagonistin aus Morden in der Menopause, auch das Hormonchaos, das mitunter die gesamte Familie betrifft, ist ihr bekannt – inklusive aller absurden Folgeerscheinungen. Das Morden überlässt sie allerdings lieber ihrer Romanheldin. Genau wie diese lebt Dreyer mit ihrem Mann, zwei Söhnen und einer Hündin in Köln. Wir haben sie interviewt.
Woher haben Sie ihre Inspiration genommen?
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Tine Dreyer: Tatsächlich direkt aus dem Leben. Und da die Menopause ja seit einiger Zeit thematisch zumindest im Sachbuchbereich sehr vertreten ist, dachte ich mir, es kann nicht schaden, wenn ich mich mal ein bisschen darüber informiere – und war überrascht, wie wenig ich als aufgeklärte Frau tatsächlich wusste. In zahlreichen Gesprächen mit meinen Freundinnen stellte ich fest, dass es ihnen genauso geht, und wir alle fanden es erschreckend, dass die Menopause immer noch ein Tabuthema in unserer auf "ewige Jugend" fixierten Gesellschaft ist. Deshalb wollte ich ein Buch schreiben, das sich unterhaltsam dem Thema nähert, aber auch ein paar wichtige Informationen liefert und es aus der Tabu-Ecke holt.
Wie haben Sie die eigenen Wechseljahre wahrgenommen?
Tine Dreyer: Alles fing an mit einer ungeheuren Schlaflosigkeit. Ich habe mit verschiedenen Ärzten darüber gesprochen, aber nicht einer hat den Zustand ernst genommen. Schnarcht vielleicht ihr Mann? Haben Sie zu viel Stress? Vielleicht zu wenig Bewegung? Das waren die Hauptantworten. Einer hat immerhin meine Schilddrüse gecheckt, aber auch ohne Erfolg. An die Perimenopause dachte keiner. Bei mir kam irgendwann eine bemerkenswerte Schusseligkeit dazu. Dauernd stand ich in irgendeinem Raum und wusste nicht mehr, was ich da wollte.
Meine Schlaflosigkeit habe ich zum Glück mit Melatonin halbwegs in den Griff bekommen, meine Schusseligkeit ist nach wie vor vorhanden. Aber seitdem ich weiß, dass das alles nur eine Phase ist, kann ich sie mit Humor nehmen und rege mich nicht mehr darüber auf. Das hilft ungemein!
Warum und wie gehören die Wechseljahre enttabuisiert?
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Tine Dreyer: Weil Älterwerden normal ist. Es muss endlich aufhören, dass Frauen ab einem gewissen Alter unsichtbar werden und von der Gesellschaft nicht mehr wahrgenommen werden – als hätten wir nur einen Wert, solange wir fruchtbar sind! Jeder zweite Mensch auf der Welt kommt in die Wechseljahre, und die allermeisten wissen viel zu wenig darüber. Dabei ist es ein völlig natürlicher Prozess, an dem es nichts zu verschweigen gibt. Aber wenn dieser tabuisiert wird, werden auch die Beschwerden von Frauen nicht ernstgenommen.
Immerhin haben ein Drittel aller Frauen massive Beschwerden, die durchaus einschränkend sein können. Je mehr die Gesellschaft darüber weiß, umso besser für alle. Wir sollten daher darüber sprechen, Bücher schreiben und Filme drehen – so wie es mit der Pubertät ja auch irgendwann geschehen ist – wenngleich sicherlich auch viel zu spät.
Wie können wir Ageismus besiegen?
Tine Dreyer: Altersdiskriminierung in einer Gesellschaft, die langsam aber sicher überaltert, ist doch wirklich absurd. Wir sollten ältere Menschen viel stärker mit einbinden, es gibt viele, die sich einbringen möchten und nicht können, besonders auf dem Arbeitsmarkt. Natürlich gilt das nicht für alle Berufe, aber für einige eben schon.
Ich habe neulich von einem Altenheim gehört, das zusammen mit einer KiTa und einem Tierheim auf einem Gelände errichtet worden ist. Alle drei Einrichtungen leiden unter Personalmangel, aber alle drei zusammen konnten das wunderbar wuppen. Die fitten Alten kümmern sich gemeinsam mit den größeren Kindern um die Tiere, und das Fachpersonal hat mehr Zeit für die weniger fitten Alten, die kleineren Kinder und die schwierigeren Tiere. Mir ist klar, dass das nur ein Beispiel ist und sicherlich nicht überall umgesetzt werden kann. Aber es zeigt doch, dass man mit ein wenig Kreativität viel erreichen kann.
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