Mehr Sex, späterer Wechsel: Was steckt hinter dem "Großmutter-Effekt"?
Das evolutionäre Mysterium der Menopause wird nach und nach erforscht. Eine These lautet, dass wir nicht mehr in den Eisprung investieren, wenn Flaute im Bett herrscht.
Nur sehr wenigen weiblichen Säugetieren ist eine Pension vergönnt. Oder zumindest eine Phase, in der sie am Leben sind, sich aber nicht mehr fortpflanzen. Solange sie atmen, produzieren sie meistens auch fruchtbare Eier. Nicht aber der Homo sapiens. Um das 50. Lebensjahr herum stellen Frauen ihren Eisprung ein – ein biologisches Rätsel, denn die Fortpflanzung ist die Grundvoraussetzung für evolutionären Erfolg. Und doch treten die Wechseljahre in einem Alter ein, in dem Frauen oft noch einige Jahrzehnte gesunden Lebens vor sich haben.
Das "Wie" der Menopause ist mittlerweile gut bekannt, sie wird durch einen dramatischen Rückgang der endokrinen Hormone, vor allem des Östrogens, ausgelöst. Aber warum wurde dieser rasche und konsequente Rückgang so begünstigt, was sind die evolutionären Gründe dafür?
Großmutter-Hypothese: Das Warum der Wechseljahre
%CONTENT-AD%
Die sogenannte Großmutter-Hypothese besagt, dass sich die Menopause beim Menschen ursprünglich entwickelt hat, um Reproduktionskonflikte zwischen verschiedenen Generationen zu verringern und um es älteren Frauen zu ermöglichen, ihre Fitness zu erhalten bzw. zu steigern, indem sie in ihre Enkelkinder investieren. Dies wurde nun von einem Team von Wissenschaftler:innen der Universitäten von Kalifornien, San Diego und Princeton bestätigt: ihre Arbeit zeigt, dass die Großmutterschaft ein wichtiger Motor für die Entwicklung bestimmter Gene gewesen sein könnte, die zu einem gesunden Immunsystem und zur Resistenz gegen kognitiven Abbau im Alter beitragen.
Natürlich leben wir heute weder in Höhlen noch in Rudeln. Natürlich werden heute nicht mehr alle Frauen Großmütter – und die, die es werden, tragen nicht unbedingt aktiv zum Wohlergehen ihrer Enkelkinder bei, insbesondere in der westlichen Welt, wo man oft weit voneinander entfernt lebt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Großmutterschaft während des größten Teils unserer evolutionären Vergangenheit eine wichtige Rolle spielte – also lange bevor Geburtenkontrolle und anderen Optionen Frauen mehr Macht über ihre Fortpflanzung gaben.
Kein Sex, keine Investition in den Eisprung?
%MEDIUM-RECTANGLES%
Und heute? Einen möglichen Einflussfaktor auf den Zeitpunkt der Menopause haben zwei Wissenschaftlerinnen vom University College London näher untersucht. Sie stützten sich dabei auch auf Daten der sogenannten SWAN-Studie aus den USA: Diese basiert wiederum auf Daten aus zehn Jahren, die von knapp 3.000 Frauen zwischen 42 und 52 Jahren erhoben wurden, alle noch mit intaktem Uterus und Regelblutung. Abgefragt wurden u.a. Gesundheitszustand, Beziehungen, Rauchen, Medikamenteneinnahme, Beobachtungen von körperlichen Problemen im Zusammenhang mit den Wechseljahren sowie die Häufigkeit sexueller Aktivitäten.
%EVENT%
Das Ergebnis? Im Innerhalb des zehnjährigen Follow-ups kamen 45 Prozent in die Wechseljahre, im Mittel mit 52 Jahren. Die Forscherinnen stellten dabei fest, dass bei Frauen, die angaben, wöchentlich sexuell aktiv zu sein, die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Alter in die Wechseljahre zu kommen, um 28 Prozenz geringer war als bei Frauen, die weniger als einmal im Monat sexuell aktiv waren. Zu diesen sexuellen Aktivitäten zählen der klassische Akt ebenso wie andere Spielarten der Erotik, Berührungen, Streicheln und sogar Selbststimulation.
Dr. Megan Arnot, Erstautorin der Studie, erklärt: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich der Körper einer Frau, die keinen Sex hat und bei der somit auch keine Aussicht auf eine Schwangerschaft besteht, dafür entscheidet, nicht mehr in den Eisprung zu investieren, da dieser sinnlos wäre. Möglicherweise gibt es einen bio-energetischen Kompromiss zwischen der Investition von Energie in den Eisprung und der Investition in andere Lebensbereiche.
Demographische Veränderungen und berechtigte Lustlosigkeit
%QUESTION%
Laut der Großmutter-Hypothese war dies dereinst – völlig unwissenschaftlich formuliert – der Einsatz für das Sippenwohl. Doch körperlich fit und mental agil können wir heute auch durch viele andere Inputs bleiben, vom Job bis zum Sport. Und wir werden deshalb auch immer älter, ein demografischer Wandel, der sich in allen EU-Staaten drastisch zeigt.
Die britische Untersuchung lässt auch einen wichtigen Aspekt der Sexualität von Frauen jenseits der Jugend außer Acht: Eine geringere sexuelle Aktivität in den Wechseljahren ist oftmals die Folge ihrer Symptome, darunter Libidoverlust, Scheidentrockenheit und anderen Vaginalbeschwerden. Wer von ihnen geplagt wird, wird wohl weniger Lust auf Lust verspüren. Wer sich allerdings gesund, munter und feucht durch die Peri-Menopause schlängelt, könnte ja versuchen mit jeder Menge Sex den letzten Eisprung noch hinauszuzögern. Ist ja immerhin alles im Sinne der Wissenschaft.
Weiterlesen: Was erwachsene Frauen beim Sex wirklich wollen
Weiterlesen: Sexualität in Menopause und Andropause: Vieles kann sich ändern
Weiterlesen: Sexualität in den Wechseljahren: Es muss nicht aufhören!
Schreib einen Kommentar ( 0 )