Karriere-Wechsel ü50: Frauen in der Lebensmitte als neue Supermacht
Neustarten? Durchstarten? Auch im Job bringt das Alter Vorteile: Wir zeigen inspirierende Frauen, die beweisen, dass es nie zu spät ist für berufliche Erfüllung.
Jede/r Fünfte der Generation 50+ ist offen für einen neuen Beruf, jedenfalls in Deutschland – das ist das Ergebnis einer Studie des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des Job-Netzwerkes XING. Damit ist die Wechselbereitschaft im Vergleich zu den jüngeren Generationen zwar geringer, birgt aber jede Menge Sprengkraft:
- Gerade die Älteren am Arbeitsmarkt wünschen sich deutlich häufiger einen sinnerfüllenden Job (64 Prozent als jüngere Generationen (18-29 Jahre: 58 Prozent, 30-49 Jahre: 55 Prozent).
- Sie legen zudem mit 26 Prozent mehr Wert auf nachhaltiges Handeln des Unternehmens als die Jüngeren (18-29 Jahre: 18 Prozent, 30-49 Jahre: 21 Prozent).
- Auch beim Thema Führung machen die Älteren wenig Kompromisse: Für 35 Prozent der über 50-Jährigen, die offen für einen neuen Job sind, ist laut Befragung schlechte Führung der Auslöser für den Wunsch nach dem Wechsel (18-29 Jahre: 27 Prozent, 30-49 Jahre: 30 Prozent).
Mythen widerlegt
%CONTENT-AD%
Damit ist eine der größten Mythen am Arbeitsmarkt widerlegt, wonach die Jüngeren angeblich stärker nach einem sinnstiftenden Beruf suchen.
Die Generationen Y und Z werden gerne auch als Generation Purpose bezeichnet, weil ihnen Sinn wichtiger zu sein scheint als Status. Tatsächlich haben diese Themen für ältere Beschäftigte eine noch höhere Bedeutung, wenn es um die Wahl eines neuen Arbeitgebers geht. Dabei könnte eine Rolle spielen, dass sie für gewöhnlich ausreichend gut verdienen, um sich diese Einstellung im wahrsten Sinne des Wortes leisten zu können – und dadurch weniger Kompromisse machen wollen und müssen, so Petra von Strombeck, CEO von NEW WORK SE, zu dem XING gehört.
Neuorientierung in der Lebensmitte
%MEDIUM-RECTANGLES%
Das Alter ist für Frauen am Arbeitsplatz immer ein Thema. In ihren Zwanzigern haben sie Mühe, ernst genommen zu werden, während sie in ihren Dreißigern aufgrund möglicher Schwangerschaften diskriminiert werden. Mit Mitte vierzig werden sie dann bereits oft als zu alt für den Erfolg abgestempelt. Folglich sind die wenigen, die über die Wechseljahre hinaus im Unternehmen bleiben, in der Minderheit.
In Revolting Women. Why Midlife Women Are Walking Out (zu deutsch: Warum Frauen in der Lebensmitte aussteigen) widerlegt Dr. Lucy Ryan auf der Grundlage ihrer Forschungsergebnisse den Irrglauben, dass es Frauen in der Lebensmitte an Motivation und Energie mangelt oder die stagnierende Karriere gar an den Wechseljahren liegt.
Die Führungstrainerin analysiert Hindernisse, mit denen sie konfrontiert sind, und warum so viele von ihnen aus der Unternehmenswelt verschwinden. Sie weist mit Nachdruck darauf hin, dass Arbeitgeber diese Herausforderungen verstehen müssen und einfache Änderungen vornehmen können, um diesen wachsenden Pool an talentierten Frauen zu halten und zu fördern: Nach Jahren der Unterschätzung und der familiären Verpflichtungen tauchen sie oft mit neuem Elan wieder auf, angetrieben davon, verlorene Chancen zurückzugewinnen und ungenutztes Potenzial zu verwirklichen.
Forbes Magazin: Frauen als neue unternehmerische Supermacht
%EVENT%
Allerdings: Angesichts einer Unternehmenslandschaft, die weibliche Arbeitskräfte in der Lebensmitte meistens unterschätzt, entscheiden sich Frauen über 50 zunehmend für die Gründung und die Freiberuflichkeit. In den letzten Jahren war diese Bevölkerungsgruppe sogar das am schnellsten wachsendes Segment von Unternehmensgründern, was das Wirtschaftsmagazin Forbes dazu veranlasste, sie als die neue unternehmerische Supermacht zu bezeichnen.
Selbst wenn manche der neuen Unternehmen noch von überschaubarer Größe sind: Diese Erfolge sind wegweisend für andere. Und beweisen, dass das Alter in der unternehmerischen Arena durchaus Vorteile bringt, meint Lucy Ryan: Berufstätige Frauen über 50 spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung unserer Welt. Es ist an der Zeit, dass die Unternehmen das Potenzial dieser oft übersehenen Bevölkerungsgruppe erkennen und ihre Talente für einen größeren Erfolg nutzbar machen. Sie zu stärken ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine strategische Notwendigkeit für Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt.
Das Forbes Magazin sieht das ähnlich: In der50 Over 50-Liste werden seit drei Jahren tüchtige und kreative Frauen ins Rampenlicht gesetzt, die mit ihren Business-Ideen den Arbeitsmarkt revolutionieren.
Durchstarten ü50: Prominente Beispiele und inspirierende Geschichten
%QUESTION%
Um nochmal durchzustarten oder einfach den Sinn im Berufsleben neu zu verankern, ist es nie zu spät. Aus unserem direkten Umfeld fallen uns da gleich zwei Beispiele ein: Wechselweise.net-Chefredakteurin Veronika Pelikan gründete das größte Portal für Frauen in der Lebensmitte im deutschsprachigen Raum mit 60. Literaturexpertin Rotraut Schöberl, die für Wechselweise.net mit viele Liebe spannende Bücher bespricht, hat mit 72 gerade ihre erste eigene Krimiserie auf den Markt gebracht, der zweite Teil des von Flores & Santana erscheint im September. Weitere inspirierende Geschichten aus internationalen Gefilden gefällig?
Valerie Griffith, heute 64, gründete zusammen mit ihren besten Freundinnen das Snack-Unternehmen SkinnyDipped an ihrem Esszimmertisch. Das Unternehmen hat seit 2018 einen Umsatz von 100 Millionen US-Dollar erzielt, Griffith erhielt außerdem 25 Millionen US-Dollar an Risikokapital von hochkarätigen Investor:innen - darunter auch Sängerin Shakira. Griffith startete ihre Karriere nicht mit der Absicht, Lebensmittelunternehmerin zu werden: Bevor sie SkinnyDipped gründete, war sie freiberufliche Fernsehproduzentin.
Kein Karriere-Change, aber eine Meisterleistung: Die dreiundsechzigjährige Astronautin Peggy Whitson hat im letzten Frühjahr Geschichte geschrieben, als sie als erste Frau eine private Mission zur Internationalen Raumstation leitete.
Monica Jain, heute 61 Jahre alt, gründete Fish 2.0 Ventures und hat Eco-Unternehmern, die sich für den Schutz der Weltmeere einsetzen, damit rund 400 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.
Die Chemikerin Carolyn Bertozzi, 56, hat im Laufe ihrer Karriere acht Unternehmen gegründet oder mitbegründet – und als ob das nicht schon produktiv genug wäre, gewann sie 2022 den Nobelpreis für Chemie.
Mariam Naficy, 52, gründete den Kunst- und Designmarktplatz Minted, baute ihn zu einem 300-Millionen-Dollar-Unternehmen aus und gründete 2021 Heretic Ventures, um in KI-gesteuerte Unternehmen zu investieren.
Obwohl sie einige rechtliche Probleme hatte, ist Martha Stewarts Power inspirierend: Das Model wurde von zur Börsenmaklerin zur Hausfrau – und dann zum Schöner Leben-Superstar. Mit fast 50 war sie schließlich Moderatorin, Chefredakteurin und milliardenschwere CEO. Jetzt, im Alter von 76 Jahren, hat sie eine TV-Show mit dem Rapper Snoop Dogg. Ihr Vermögen wird auf 300 Millionen Dollar geschätzt.
Schauspielerin Jamie Lee Curtis, 65. ist eine der wenigen prominenten Schriftstellerinnen, die sowohl Kritik als auch Leserschaft überzeugen konnten. Was wenige wissen: Sie hat bereits 13 erfolgreiche Kinderbücher veröffentlicht. Im August 2020 gründete sie außerdem My Hand In Yours, ein Unternehmen für Geschenkartikel, dessen gesamter Erlös an das Kinderkrankenhaus von Los Angeles geht.
Soulikone Patti LaBelle, heute 78, hat bereits 2008 ihre Liebe zur guten Küche in ein lukratives Geschäft umgewandelt: Patti's Good Life bietet abgepackte Leckereien an, die bei allen großen Supermarktketten in den USA zu finden sind. Die Lebensmittellinie hat allein im Jahr 2022 einen Bruttoumsatz von fast 200 Millionen Dollar erzielt. Die Leute sehen in mir eine Köchin, die ihnen hochwertiges Essen liefert, soLaBelle, die von Forbes jüngst als 50-plus-50-Preisträgerin ausgezeichnet wurde: Ich setze meinen Namen nur dann auf etwas, wenn es 110% perfekt ist.
Schauspielerin Naomi Watts, 55 hat eine weltweite Community ins Leben gerufen, in der ü50-Frauen ihre Erfahrungen austauschen können, und bietet mit Stripes eine Produktlinie an, die reife Schönheit unterstreicht. Ihre persönliche Erfahrung in den Wechseljahren führte dazu, dass sie ein tieferes Verständnis für sich selbst entwickelte – sie möchte das Thema nun auch auf der Kino-Leinwand normalisieren.
Weiterlesen: Von der Rolle: Sieben Schauspielerinnen für mehr Sichtbarkeit
Weiterlesen: Miranda July: Zwischen Porno-Pop und Menopause
Weiterlesen: Neustart Selbständigkeit: So wirst du deine eigene Chefin
Schreib einen Kommentar ( 0 )