#Hoodie-Gate: Wie cool dürfen Frauen Ü50 sein?
Hört endlich auf, cool zu sein. Eine junge Journalistin setzt zum Rundumschlag gegen die Generation Ü50 an. Wechselweise-Kolumnistinnen antworten.
Wann lohnt sich ein Aufschrei, wann ist besser cool zu bleiben? Im Falle des #Hoodie-Gates, ausgelöst durch eine Spiegel online-Kolumne einer jungen Kollegin, scheiden sich die Geister. Die will den Boomern die Kapuzenpullis ausziehen, denn lässig ist man nur in der Jugend. Kalkül im Dunstkreis der Diskussion um kulturelle Aneignung, platte Provokation oder das Recht derjenigen, die noch nicht wissen, wie es ist, älter zu sein? Wechselweise-Kolumnistinnen Karin Garzarolli und Janina Lebiszczak haben unterschiedliche Sichtweisen.
Janina Lebsizczak: Mich verblüfft die spießige Attitüde.
Warum ich als alte Print-Häsin das digitale Publizieren so schätze? Man kann schnell reagieren. Wie in diesem Fall auf das Hoodie-Gate. Der Nachteil: Man kann schnell reagieren. Wie in diesem Fall: auf das Hoodie-Gate. Denn eines muss man vorausschicken: Die Empörung der User:innen war es, die den Verantwortlichen bei dieser Publikation den Mund wässrig machte, nicht der Inhalt.
Aktion, Reaktion, Gegenreaktion und schon und wir mitten drinnen in der Empörunsgsspirale. Morgen wird eine andere Sau durchs digitale Dorf getrieben. Es geht um Klicks, nicht um konstruktive Gesellschaftskritik. Es geht ums Aufhussen, es geht ums Abzocken.
Abseits davon: Den Worten der Kollegin kann ich nichts abgewinnen, mich verblüfft die spießige Attitüde sogar. Ich habe mir von einer Heerschar von Konservativen nicht sagen lassen, was ich anzuziehen habe – soll ich mich da wirklich über Pulli-Neid empören?
Was wen triggert
Doch bevor ihr jetzt glaubt, ich sei cold as ice – auch ich habe meine Trigger. Über die Winnetou-Diskussion konnte ich mich erheben, bedenklicher fand ich die Nachricht, dass britische Elite-Unis Fahrenheit 451 aus der Leseliste nehmen wollen, weil es verstört. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein Buch, das vor dem Bücher verbieten warnt. Aber auch da hatte ich meine Emotionen noch halbwegs im Griff.
%MEDIUM-RECTANGLES%
Wenn ich aber davon lese, dass manche Trans-Aktivist:innen das Wort Frau aus unserem Sprachgebrauch streichen wollen, kann ich nur ganz gepflegt sagen: Leckt mich an meiner mir angeborenen Vulva. Frauen kämpfen schon zu lange um Sichtbarkeit, als dass ihr nur daran denken solltet, uns zu regulieren.
Besonders vor den älteren Semestern möchte ich euch nachhaltig warnen. Wir sind wehrhaft. Wir sind Diskriminierung doppelt gewohnt, als Ü40er und als Frauen. Wir sind hartgesottene Piratinnen, langmütige Strateginnen, wir haben euch das Schlachtfeld geebnet, auf dem ihr jetzt spielt. Mit Blut, Schweiß und Tränen.
Unterschätzt nicht die Veteraninnen, das sei auch der Anti-Pulli-Aktivistin gesagt. Werte Kollegin, die den Boomern die Hoodies ausziehen mag: Wir machen nicht, was man uns sagt. Meinen Hass bekommen Sie nicht, meine Wut auch nicht – die hebe ich mir für echte Endgegner auf. Fürs Hoodie-Gate habe ich nur die Gelassenheit des Alters. Und für die Hoodies selbst? Sie sind bequem und praktisch. Sie stammen aus der Hip Hop-Kultur, die um einiges älter ist als Sie. Bitte also schleunigst die Hip-Hop-Playlist löschen. Aneignung!
Karin Garzarolli: Nicht mal Karl Lagerfeld brachte mich aus der Jogginghose
Nachdem die Spiegel-Kollegin ihren Wut-Brief an die Hoodie-Boomer richtet, dachte ich sofort, es handle sich um einen stylischen Rundumschlag. Bei so einem Thema kommen mir die Kabel – also bei Menschen, die anderen Menschen kleidungstechnisch etwas vorschreiben wollen. Schon Karl Lagerfeld ist kläglich gescheitert, als er mir die Jogginghose schlecht reden wollte. Die trage ich heute noch gerne – mal zum Mickey Mouse Shirt und mal zum Blazer. Oder zu beidem.
Das war heute vormittags. Jetzt ist es fast Mitternacht, und ich sitze in Griechenland unter einem Feigenbaum vor meinem Laptop und bin fast traurig, keinen Hoodie zu brauchen, weil es hier so warm ist. Mein Hitzeempfinden kann aber auch daran liegen, dass ich es endlich geschafft habe, mir die ganze Wut der jungen Dame an uns durchzulesen. Was wiederum daran liegt, dass ich nicht die richtige Brille am Strand dabeihatte und so die Sache mit dem Testabo nicht auf die Reihe brachte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Sprache, Gefühle und Run-DMC
Jetzt habe ich also den ganzen Wut-Brief von Frau Dreussi gelesen und bin fast enttäuscht, dass es nicht um die schöne Modewelt geht, die mir schon immer sehr am Herzen liegt. Die Gräben scheinen hier viel tiefer zu sein, und ich kann da meinerseits anscheinend nicht mehr viel gut machen – etwa Brücken schlagen.
Also am Besten kein Interesse an ihren Jugendwörtern haben bitte, noch weniger hat man diese in seinen Sprachgebrauch einzubauen, denn dann ist man ganz schnell cringe (als peinlich). Hat aber Sprache nicht mit Verständigung zu tun?
Auch ist es dem Hoodie-Boomer verboten, sich zu Rap-Klängen zu bewegen. Von Mitsingen brauchen wir jetzt gar nicht erst zu sprechen, weil deren Texte kapieren wir sowieso nicht und von der Historie des Rap wissen wir auch wenig. Ich verspreche, Grandmaster-Flash, Run-DMC und den Beastie Boys nix davon zu erzählen. Ist es nicht gerade auch Musik, mit der man Gefühle zum Ausdruck bringt?
So altert ein Hoodie-Boomer in Würde
Nach dem Genuss dieses Wut-Briefes weiß ich nicht nur, dass ich mich, zurück in Wien, wieder in meinen Lieblings-Hoodie kuscheln werde – vielleicht trage ich ihn auch mal zum Tüllrock. Ganz sicher aber zu meiner liebsten 501er von Levi's, wenn ich nach dem ganzen Greek Food noch reinpasse.
Ich weiß auch – eh immer schon –, dass ich in Würde altern will und mich von Menschen fernhalte, die unzufrieden sind. Mit sich und mit der Welt. Denn in Würde zu altern heißt für mich offen, neugierig und auch wild zu bleiben – ob nun mit oder ohne Hoodie. Denn dann wird alles gut.
Schreib einen Kommentar ( 0 )