Evelyn Rillé im Interview: Ich will eine coole Alte werden!
Alter ist nur eine Zahl: Als Topmodel wurde sie zum It-Girl der 1980er und 1990er Jahre. Heute engagiert sie sich für das Rote Kreuz und modelt immer noch.
WW: Du bist gerade erstaunliche 61 Jahre alt geworden und wahrscheinlich schon tausend Mal nach deinem Geheimnis gefragt worden. Gute Gene? Oder die gute, alte Wasser & Schlaf-Formel?
Rillé: Ich mache eigentlich gar nichts Besonderes, habe allerdings nie geraucht und mich immer vernünftig ernährt, war wenig in der Sonne. Aber auch wenn man immer glaubt, dass die Gene am ausschlagkräftigsten sind, weiß man heute anhand vieler Studien, dass der Lifestyle entscheidend ist. Ich habe immer sehr viel Sport betrieben, mache ich immer noch – man fühlt sich einfach besser – und verzichte auf Zucker.
Ich bin aber überzeugt davon, dass meine immer positive Einstellung das Wichtigste ist, und ich denke einfach auch nicht viel über mein Aussehen nach. Es gibt schließlich nur eine Alternative, wenn man nicht alt werden will: Nämlich jung sterben. Und ich wünsche mir eine coole Alte zu werden!
WW: Und wie hältst du deine Psyche fit, bleibst fröhlich und ausgeglichen?
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Rillé: Ich war immer ein Mensch mit tausenden Interessen. Und ich habe immer die Sorge, dass ich nicht mehr alles erledigen kann, was mich interessiert. Mir wird nie langweilig, und ich glaube, das ist mein größter Motivator: immer Neues probieren und lernen. Und ja, die Tätigkeit beim Roten Kreuz gibt mir sehr viel positive Energie. Ich bin gerade Gleichstellungsbeauftragte im Industrieviertel geworden - meine neue Herausforderung.
Ich hatte immer das Privileg, mir aussuchen zu können, was ich tun möchte: ob das meine Ausbildung zur Maskenbildnerin, zur Fotografin oder mein Model-Leben war. Meinen Brillengroßhandel habe ich gegründet, weil ich etwas Stabiles für die Zukunft gesucht habe – ich bin von Brillen fasziniert und sehr glücklich, heute mehrere coole Marken in Österreich anbieten zu können.
WW: Kannst Du dem Älterwerden etwas Positives abgewinnen?
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Rillé: Ja, das kann ich absolut. Viele Dinge, die mich vor Jahren verunsichert haben, sehe ich heute mit komplett anderen Augen. So zu leben und zu agieren, wie ich es für richtig erachte, macht mich frei.
Mich kümmert heute nicht mehr, was andere von mir denken und ich nehme mir auch kein Blatt vor den Mund. Ich bin höflich, aber bestimmt, möchte niemanden verletzen und täusche keine Freundlichkeit vor, um meinen Zielen näher zu kommen. Negativen Menschen gehe ich aus dem Weg, ich umgebe mich nur mehr mit Leuten, bei denen ich spüre, dass sie die richtigen sind.
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Außerdem muss ich nicht mehr gefallen, das ist für mich die neue Freiheit meines Alters. Rückblickend gab es viele Dinge – Menschen, Situationen, aber auch Entscheidungen, die schlecht waren. Aber aus den negativen Erlebnissen habe ich am meisten gelernt und bin dadurch auch zu einem besseren Menschen geworden.
WW: Wie erging es dir im Wechsel?
Rillé: Ich bin ziemlich spät in die Wechseljahre gekommen, das war bei meiner Mutter ebenso und liegt daher wahrscheinlich in der Familie. Es hat schleichend begonnen, angenehm war es nicht immer und ist es immer noch nicht.
Ich kämpfe manchmal mit Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit und Hitzewallungen, aber ich bin kein Mensch, der sich da groß hineinsteigert. Das ist keine Krankheit, sondern ebenso wie die Pubertät eine natürliche altersbedingte Umstellung. Das kann man aushalten. Ich habe ein paar pflanzliche Mittelchen ausprobiert, konnte aber keinen Unterschied feststellen, daher habe ich es wieder gelassen. Hormone würde ich nicht nehmen.
WW: Du hast dich früher als Model auch oft nackt gezeigt – wäre das heute noch eine Option?
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Rillé: Ja, ich habe ein sehr ungezwungenes und natürliches Verhältnis zu meinem Körper, ich würde kein Problem darin sehen auch heute noch erotische Aufnahmen zu machen. Selbstverständlich in einem etwas anderen Stil als vor 30, 40 Jahren. Schönheit liegt sowieso immer im Auge des Betrachters: was für den einen schön ist, kann für andere völlig anders wirken.
WW: Stichwort Ageism: wie kann man das Älterwerden gesellschaftlich enttabuisieren?
Rillé: Für mich ist grundsätzlich jede Art von Diskriminierung ein sehr wichtiges Thema. Es ist ein Paradoxon in unserer Gesellschaft, dass einerseits alles dafür getan wird lange und gesund zu leben, dass aber mit den dazugehörigen Folgen wenige leben können.
Ich finde es sehr schade, dass man nicht die Erfahrung und Wissen eines Menschen höher schätzt als seine Optik. Da müsste in den Köpfen der Menschen ein Umdenken stattfinden. Auch deswegen kommen für mich Schönheitsoperationen nicht in Frage, das ist genau der falsche Weg, wenn ein Umdenken stattfinden soll.
WW: In den Sozialen Medien wird hart beurteilt, bissige Kommentare über das Aussehen von Frauen jedes Alters sind an der Tagesordnung, leider auch von Frauen – was denkst du darüber?
Rillé: Für mich ist jedes Runtermachen anderer immer nur ein eigenes Problem. Wer mit sich im Reinen ist, der braucht niemanden klein zu machen, um selbst größer zu wirken. Jeder hat sich sicher schon selbst dabei ertappt, über jemanden negativ gedacht oder gesprochen zu haben. Daraus kann man für sich selbst sehr viel lernen. Fast immer sind es die eigenen Schwächen, die beim anderen so sehr stören und auffallen.
WW: Welche Pläne hast du noch für die Zukunft?
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Rillé: Mein Mann und ich arbeiten gerade an der Fertigstellung des Kochbuches Die Oper kocht, mit 70 Topstars aus der Opernwelt. Das erste Opernkochbuch von meinem Mann und mir erschien vor zehn Jahren, das zweite mit neuen Sängern, Rezepten, Fotos und Interviews wird Anfang des nächsten Jahres erscheinen und in unserem Eigenverlag RIFKO präsentiert.
WW: Letzte Frage: Welchen Ratschlag würdest du heute deinem 20-Jährigen Ich geben?
Rillé: Bleibe immer du selbst, lass dich nie verbiegen, um zu gefallen. Sei ehrlich, sage deine Meinung, aber ohne zu verletzen und mache nur, was sich für dich richtig anfühlt.
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