Buchtipp: Krebs, Wechseljahre und neue Sinnlichkeit
"Die kraffftvolle Sinnlichkeit - eine Anleitung zur Neuentdeckung" schildert mutig und tabulos den Weg einer Frau, die sich nach Krankheit und Therapie wiederfindet.
Es gibt Themen, über die man nicht gerne spricht: über den Tod und das Sterben, über Krankheit, die damit verbundene Angst und über die Sexualität und Sinnlichkeit nach dem Krebs. Autorin und Unternehmensberaterin Erika Krafft erzählte uns bereits von den großen Herausforderungen des plötzlichen Wechsels nach Antihormontherapie und Entnahme der Eierstöcke – was für sie als Hochrisikopatientin mit BRCA1-Genmutation absolut erforderlich war. Die Menopause wurde also künstlich herbeigeführt – und die Beschwerden kamen geballt: Ihre Gelenke schmerzten, sie konnte kaum gehen, litt unter starken Hitzewallungen, war launisch, ihre Libido sank durch die Therapien auf null.
Schluss mit den Tabus, die der Heilung im Wege stehen
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Plötzlich ein Knoten in der Brust, mehrere Operationen, von heute auf morgen im Wechsel: Nachdem die erste schwierige Zeit bewältigt war und sie sich auch anderen Bedürfnissen widmen konnte, entstand ihr zweites Buch, das soeben erscheinen ist. In Die kraffftvolle Sinnlichkeit – eine Anleitung zur Neuentdeckung räumt Erika Krafft gemeinsam mit Expert:innen und Betroffenen mit jenen Tabus auf, die Heilung und Weiterentwicklung im Wege stehen.
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Der Verlust der Weiblichkeit, die Wechseljahre-Beschwerden und Hitzewallungen, die geringe vaginale Feuchtigkeit und die dadurch bedingte Irritation der Vaginalschleimhaut, die Erregungs- und Orgasmusstörungen sind zumeist Ergebnisse der Hormon- oder Chemotherapie. Aber auch mental und seelisch gibt es große Herausforderungen: Es entstehen gerade bei Krebserkrankungen oft Scham- und Schuldgefühle, insbesondere auch in der Sexualität, erinnert sie sich: Am Anfang wollte ich von diesem Thema nichts wissen. Ich war so ausgelastet mit anderen Fragen, die mir im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtiger erschienen. Dann aber war ich sehr dankbar, als mir im Rahmen meiner onkologischen Rehabilitation eine Sexualberatung empfohlen wurde.
Ohne Scham: Krebstherapie und Wechseljahre
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In ihrem aktuellen Buch beschreibt Krafft die Funktionsweise des gesunden weiblichen Körpers und geht auch auf die Phase der Wechseljahre ein. Nachdem einige Maßnahmen der Krebstherapie (Chemo- und Antihormontherapie) die Menopause einleiten, ist es wichtig zu wissen, was diese Zeit – auch bei gesunden Frauen – mit sich bringen kann und wie sich der Körper verändert, so die Autorin: Der zweite Teil widmet sich der Therapie selbst: Wie verändert sich in dieser Zeit die Sinnlichkeit? Was kann nun empfohlen werden? Und der dritte Teil gibt Tipps nach der aktiven Therapiephase und zeigt Wege auf, wie man als Frau seine Sinnlichkeit – falls erforderlich – neu definieren und dabei viel Freude empfinden kann. Da ich allein nicht in allen Fragen kompetent bin, fand ich dazu zwei Expertinnen: Dr. Szilvia Csányi-Grafelmann bringt ihr Fachwissen als Gynäkologin ein, Mag. Corinna Abseher ergänzt das Buch als Sexualtherapeutin mit ihren Erfahrungen.
Die Angst, davor sich wieder nackt zu zeigen – und ein neues Körperbild
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Doch auch private, teils sehr eindringliche Schilderungen kommen nicht zu kurz: Die Ängste, das fremde Körperbild, die Schmerzen und die Medikamente führen in den meisten Fällen vorübergehend zu einem starken Libidoverlust. Ich habe zum Beispiel nicht einmal das Bedürfnis gehabt, berührt zu werden. Ich zuckte zurück, sobald mein Mann meine Brust berührte. Ich kann daher beruhigen: Es ist vollkommen natürlich, dass man während der Therapie nicht berührt werden möchte, so Krafft: Zum Teil entsteht auch Angst, sich vor dem Partner nackt zu zeigen. In diesen Fa?llen geht es darum, zuerst einmal sich selbst anzunehmen – mit der veränderten Form des Körpers. Je besser ich mit mir selbst im Reinen bin, je eher ich meine Einstellung zu und mein Verhalten in der Sinnlichkeit ändern kann, desto eher kann ich mich zeigen. Desto eher kann ich mich berühren lassen. Der größte Hemmfaktor sitzt – wie so oft in unserem Leben – im eigenen Kopf.
Unser Fazit, bevor wir noch den gesamten Inhalt des Buches spoilern: Krafft hat die Kraft! Und den Mut sich den letzten großen Tabus der Weiblichkeit zu stellen. Deshalb ist Die kraffftvolle Sinnlichkeit - eine Anleitung zur Neuentdeckung nicht nur für Betroffene spannend und lehrreich. Wir alle können durch die Lektüre mit versteckten Ängsten besser umgehen, uns neuen Herausforderungen stellen – Gesunde wie Kranke, Männer wie Frauen.
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