Älterwerden. Ein Tabu literarisch betrachtet.
Buchtipp: In "Wechselhafte Jahre" berichten bekannte Schriftstellerinnen über ihre Erfahrungen mit den Wechseljahren.
Menopause – und danach kommt allenfalls noch eine Existenz als Großmutter oder Pflegerin. So wird jedenfalls oft über Frauen jenseits der Fünfzig gesprochen. Doch wie sieht ihr Alltag tatsächlich aus? Wie gehen sie mit Veränderungen um und wie viel Befreiung geht mit dem Alter einher? Das Leben von Frauen spielt sich im öffentlichen Diskurs primär in der ersten Lebenshälfte ab. Alles danach wird als unerfreuliche Lebensphase abgetan, über die man nicht spricht. Dabei eröffnet sich in der zweiten Lebenshälfte eine ungeahnte, neue Seite des Lebens – und damit viele Chancen auf neues Glück.
Wechselhaft bis wolkig: Schriftstellerinnen über Umbruch und Aufbruch
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In Wechselhafte Jahre (Leykam Verlag) finden wir – mal hart, mal zart – wertvolle Beiträge von Top-Schriftstellerinnen wie Marlene Streeruwitz, Barbara Honigmann, Katja Oskamp, Barbara Frischmuth, Katrin Seddig, Linda Stift, Barbara Hundegger, Sabine Scholl, Marianne Gruber, Zdenka Becker, Alida Bremer, Ruth Cerha, Renate Welsh, Ulrike Draesner und Bettina Balàka. Die freie Autorin Balàka fungiert auch als Herausgeberin und beschreibt im Vorwort ihre Motivation: In diesem Buch geht es um Frauen, die eine Vielzahl von Verwandlungen durchgemacht, sich ver- und entpuppt haben. Ob erzählend oder essayistisch – die versammelten Texte beschreiben das Gute und das Nicht-so-Gute, das Erwartete und das Unerwartete, den Traum und die Wirklichkeit. Vieles, was gesellschaftlich geändert werden konnte, hat sich gebessert. Was jenseits der Machbarkeit liegt, ist dagegen eine Frage des Glücks. Adaptionsstrategien werden entwickelt und in erstaunlicher Vielfalt präsentiert.
Streeruwitz über den Wechsel: Wir sind nicht mehr verführbar
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Zitieren möchten wir auch aus dem Beitrag der mehrfach ausgezeichneten Schriftstellerin Marlene Streeruwitz: Vielleicht wird die gemeinsame Erfahrung im Verachtetsein die nächste Grundlage fu?r eine neuerliche Solidarität. Dafür müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht die Opfer einer hormonellen Veränderung sind, sondern die Opfer einer lebenslangen Irreführung, deren wir nun nicht einmal mehr wert sind. Wir sind nicht mehr verführbar. Das ist es, was uns mit Verachtung zurückgezahlt wird. Aber was für ein himmelschreiend wunderbarer Zustand ist das. Wir sind nicht mehr verführbar. Das heißt, wir sind frei. Und dahin zu kommen, das könnten wir uns wert sein.
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Und Margret Kreidl widmet uns mit Auszählen sogar ein Gedicht:
50 ist das neue 50,
mit 40 wars auch nicht besser,
mit 60 liegst du unter dem Messer,
mit 70 bist du jünger,
viermal 20 und dünner,
zähl bis 90,
dann bist du 100 für immer.
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Fazit: Ein großartiges Buch über Freiheit und Verlust, Freundschaften, Kämpfe und Beziehungen – kurzum: über das Leben. Ein Tabu wird endlich auch literarisch betrachtet, überraschend, leichtfüßig und befreiend. In diesem Sinne: Viel Vergnügen beim Lesen!
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