Wie Frauen in der Lebensmitte das berufliche Parkett rocken
Sind Frauen in der Lebensmitte die geheimen Heldinnen am Arbeitsmarkt? Coachin Evi Hellweger über jene Super-Power, die an vorderster Front gebraucht wird.
Als international berufserfahrene Frau in der Peri-Menopause fällt es mir ehrlicherweise gar nicht leicht, angesichts der Vielzahl an Änderungen in der Arbeitswelt den Durchblick zu behalten. Agilität, Holokratie, Knowledge und Learning Worker, Scrum - nein, das ist kein Auszug aus dem Lied Mit freundlichen Grüßen von den Fantastischen Vier, es ist die Realität von New Work 2025. Gehöre ich als Frau Ende 40 tatsächlich zum alten Eisen, wenn solche Konzepte ein leichtes Stirnrunzeln auf meiner ohnehin schon nicht mehr glatten Vorderpartie auslösen? Oder sind Frauen in den Wechseljahren dank ihrer Kompetenzen und Werte für Unternehmen schlichtweg unverzichtbar, um sicher durch diese unsicheren Zeiten zu navigieren?
Veränderung als Identität
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Wandel ist in meiner DNA, denn als Kind der späten Siebzigerjahre in Südtirol aufgewachsen bin ich mit der Weltwirtschaftskrise, dem Reaktorunfall in Tschernobyl und Kriegen in nah und fern großgeworden. Emotionale, soziale und wirtschaftliche Unsicherheit begleitete meine Reise zur jungen Erwachsenen, und es sind genau diese volatilen Umstände, die meine Generation X zu widerstandsfähigen und anpassungsfähigen Steh-auf-Frauen gemacht haben.
Wenig war sicher und planbar und das traf auch auf zwischenmenschliche Beziehungen zu. Wollten wir der Peinlichkeit eines Anrufs auf dem Haustelefon aus dem Weg gehen, dann sahen wir einen Crush, wie es neumodisch so schön heißt, oftmals wochenlang nicht. Es galt, die Zeit des Wartens geduldig zu ertragen und anderweitig zu nutzen. So kletterten wir auf Bäume, radelten in den Sonnenuntergang und rauchten mit jugendlicher Coolness hustend die ersten Zigaretten.
Es ist diese würzige Mischung aus Abenteuer und Unvorhersehbarkeit, die heute noch angenehm süß-holzig in der Nase sitzt. Klar, es ist nicht alles Gold, was glänzt, wuchsen wir in einer Leistungsgesellschaft heran und bekamen unfreiwillig Etiketten angeheftet, die uns in Schubladen pressten. Braves Benehmen heimste uns Lob und Anerkennung ein, kam jedoch unsere wahre, wilde Persönlichkeit zum Vorschein, wurden wir mit verbaler Bestimmtheit zum Schweigen gebracht. Wir lernten, uns anzupassen, und in einer polaren Welt hat dies zwar unsere Identität eingeschränkt, andererseits aber resilient und erfinderisch gemacht.
Das bisschen Haushalt macht sich von allein?
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Wenn wir nun in der Lebensmitte auf das zurückblicken, was wir geleistet haben, dann ist das ein beachtliches Kunstwerk: Wir haben Kinder großgezogen – menschlicher oder anderer Natur - , das bisschen Haushalt, das sich entgegen aller Songtexte nie von allein gemacht hat, nebenbei geschmissen und waren leidenschaftlich berufstätig. Ein Beruf, auch auf Teilzeit-Basis, bedeutete nicht nur einen monetären Leistungsvertrag, es war eine Lebensphilosophie, eine Kombi aus Spaß, Verbindlichkeit und hohen Ansprüchen an uns selbst. Wir lernten, analog organisiert zu arbeiten und behielten stets den Durchblick im Mappen-Wahnsinn - bis der kometenhafte Aufstieg moderner Technologien uns auf originellste Weise forderte. Auch das hat uns wachsen lassen und gezeigt, dass wir eine Frau für alle Fälle sind.
Die geheimen Heldinnen am Arbeitsmarkt
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Als Coachin für Frauen in der Lebensmitte sehe ich das Potential, den Erfahrungsschatz und die Leidenschaft meiner Kundinnen, doch oftmals sind es die Unsicherheit angesichts der rasend-schnellen Veränderungen punkto Digitalisierung, die Scham über die Hormonturbulenzen im Wechsel und die veralteten, maroden Strukturen unserer Gesellschaft, die ihre Karriere-Ambitionen im besten Alter bremsen und fast schon boykottieren.
5 überzeugende Gründe, warum Frauen in der Lebensmitte die neuen Rockstars am Berufshimmel sind:
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Nach den Jahren des Östrogen-Nebels startet die Zeit der erneuten beruflichen Selbstfindung und setzt jede Menge Energie und Klarheit frei
Nach langer Teilzeit-Arbeit und unbezahlter und unsichtbarer Care-Arbeit haben sie richtig Lust auf frische Herausforderungen.
Dieser Umbruch ist der ideale Zeitpunkt, um gnadenlos auszumisten: Falsche Limitierungen, Selbstzweifel und kritisierende Stimmen anderer dürfen ab sofort einen neuen Platz zum Wüten suchen. Der Weg ist frei für Karriere und Selbstverwirklichung!
In der Zeit der Jugendkultur wird gern die Power der Frauen in den Wechseljahren vergessen. Dabei sind sie jetzt in der Lage, sich entweder schnell an Änderungen anzupassen und innovative Lösungen zu suchen – oder eine Position dankend abzulehnen. Nach den vielen Jahren der faulen Kompromisse wissen sie, was sie wollen – und auch, was sie nicht wollen.
Es gibt zu wenige weibliche Vorbilder um die 50 im beruflichen Kontext, höchste Eisenbahn also, dass Frauen vermehrt Sichtbarkeit und Anerkennung erfahren, wenn sie den bedeutsamen Schritt für eine emanzipierte, inklusive und gerechte Gesellschaft gehen.
In Zeiten von Herausforderungen wie dem Fehlen an arbeitsmarkt-relevanten Soft Skills, dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel bin ich felsenfest davon überzeugt, dass Frauen in den Wechseljahren nicht länger von der beruflichen Bildfläche verschwinden werden, wie es viel zu lange der Fall war. Vielmehr werden sie in den kommenden Jahren mit voller Energie und Power an vorderster Front mitmischen. Dafür dürfen Politik, Wirtschaft und wir als Gesellschaft die Köpfe zusammenstecken, denn für Arbeitnehmerinnen in den Wechseljahren ist es besonders wichtig, dass Führungskräfte für das Thema Hormongesundheit am Arbeitsplatz sensibilisiert werden, flexible Arbeitszeitmodelle die Produktivität auch an hitzigen Tagen ermöglichen und eine Arbeitskultur gefördert wird, die die Bedürfnisse von Frauen in den Wechseljahren berücksichtigt. Die Zukunft ist weiblich – und Ü40!
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