Wechseljahre: Wird aus dem Tabu jetzt ein Makel?
Britische Firmen müssen Rücksicht auf die Menopause nehmen: Die Nachricht vom Februar 2024 ließ in Foren und Sozialen Medien die Wogen hochgehen. Viele Missverständnisse.
Arbeitgeber:innen müssen nach Ansicht einer britischen Aufsichtsbehörde Rücksicht auf Frauen in der Menopause nehmen. Die Kommission veröffentlichte am Donnerstag einen Leitfaden, worauf Unternehmen achten sollen. Etliche Frauen litten in den Wechseljahren etwa unter Hitzewallungen, dann könne es helfen, die Raumtemperatur anzupassen oder auf Uniformzwang zu verzichten. (Der Standard, 22.2.2024)
Klingt doch vernünftig, würde jede von uns, die zeitweise von Hitzewallungen gebeutelt wird, feststellen. Dennoch löste die Meldung fast ausschließlich ablehnende Kommentare aus. Allerdings ging es in Foren und Social Media Kanälen nicht um die Maßnahmen an sich, sondern um mutmaßliche Konsequenzen solcher Empfehlungen: Während die einen befürchteten, den Unternehmen würden so weitere sperrige Vorschiften der betriebliche Vorsorge aufgebürdet, beklagten vor allem Frauen, dass es nun einen weiteren Grund der Diskriminierung gäbe: Zuerst zu jung (kann Kinder bekommen und ausfallen), dann Mutter (unflexibel wegen Betreuungspflichten) und schließlich zu alt (zickige Wechselbeschwerden belasten Arbeitgeber und Kollegen).
Etwa die Hälfte aller Frauen in Europa ist in der Perimenopause oder Postmenopause.
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Haben wir Frauen also einfach biologisch die Arschkarte gezogen und müssen uns damit abfinden? Natürlich nicht. Sobald es ausreichende Kinderbetreuung für Berufstätige gibt, sind Kinder kein Problem mehr. Und auch gegen Wechseljahrbeschwerden ist ein Kraut gewachsen.
Unter Wechseljahrbeschwerden leiden etwa zwei Drittel aller Frauen. Etwa ein Drittel hat so heftige Beschwerden, dass die Lebensqualität massiv beeinträchtigt wird. Dazu gehören bis zu 30 Hitzewallungen zu den unmöglichsten Gelegenheiten und auch nachts, quälende Schlaflosigkeit, in Folge mangelnde Konzentrationsfähigkeit und psychische Verstimmungen, dazu Herzrasen, das sich bis zur Panikattacke steigern kann, Gelenkschmerzen, trockene Augen und diverse urogenitale Beschwerden.
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Früher war das auch kein Thema? Stimmt. Noch vor 150 Jahren wurden nicht viele Frauen alt genug, die Wechseljahre zu erleben. Die seither kräftig gestiegende Lebenserwartung bringt mit sich, dass in Europa heute etwa die Hälfte aller Frauen in der Perimenopause oder Postmenopause sind. Das zu ignorieren wäre kurzsichtig – und entspricht auch nicht dem Stand der modernen Medizin.
Wechseljahrbeschwerden sind nur solange ein Problem, als sie nicht erkannt und adäquat behandelt werden.
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Wechseljahrbeschwerden werden durch die Abnahme der Produktion der Sexualhormone Östrogen, Progesteron und Testosteron im Körper ausgelöst. Und so wie Hüften und Kniegelenke ersetzt werden, können auch körpereigene Hormone durch so genannte bioidente Hormone ersetzt werden. Doch Hormone haben einen schlechten Ruf. Schuld sind längst überholte Studien, die sich hartnäckig in der öffentlichen Meinung und auch in der Ärzteschaft festgesetzt haben.
Ein Problem verschwindet nicht, indem man es leugnet.
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Die Wechseljahre einfach zu ignorieren, richtet nur (individuellen und volkswirtschaftlichen) Schaden an. Einer britischen Studie zufolge kommt ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen in den Wechseljahren ihren Arbeitgebern abhanden – weil sie Arbeitszeiten reduzieren oder vorzeitig in Pension gehen. Wollen wir wirklich so viele qualifizierte, erfahrene Mitarbeiterinnen verlieren? Ist es nicht klüger, umfassend aufzuklären, den betroffenen Frauen mit einfach Maßnahmen (Lüften, Frischmachen) das Leben zu erleichtern und Betriebsärzt:innen zu schulen, sodass sie rechtzeitig auf Wechselbeschwerden eingehen können?
Unsere Gesellschaft verändert sich gerade rasend schnell. Ich bin optimistisch und glaube, dass es möglich ist, neue Lösungen zum Wohle aller zu finden, auch wenn es manchmal etwas herausfordernd ist. Reden wir also über die Wechseljahre!
PS: Die österreichweite Wechselweise-Umfrage zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz in Kooperation mit der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht läuft noch bis zum 31.3.2024. Hier geht's zur Teilnahme.
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