Junge Frauen - wir brauchen euch!
The Age of Rage: Feminismus muss ein generationsübergreifendes Projekt sein, meint wechselweise Bloggerin Janina Lebiszczak.
Gerade lese ich "Hags", ein Buch, das davon handelt, wie ältere Frauen von der Gesellschaft behandelt werden. Es diskutiert die Präzedenzfälle und Strukturen, die hinter der unheilvollen Kollision von Altersdiskriminierung und Frauenfeindlichkeit stehen. Dabei bezieht sich Autorin Victoria Smith unter anderem auf das Märchen Schneewittchen, den Hexenhammer Malleus Maleficarum, den Film Fatal Attraction" (mit Glenn Closes sagenumwobenem "Bunny Boiler") sowie auf die Arbeit feministischer Aktivistinnen wie Gloria Steinem.
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Von den "Karens" (den Nörglerinnen mittleren Alters, die stets und sofort den Manager sprechen wollen) bis hin zu namensgebenden Hags (sexlose, verbitterte, hässliche Hexen) untersucht Smith die Stereotypen, mit denen ältere Frauen ins Abseits gedrängt und verunglimpft werden. Und meint: Oft sind es gerade junge Leute – die sich selbst Feministinnen nennen – die eben dafür verantwortlich sind. Nun ja.
Unser Verständnis von Feminismus zersplittert
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Wie auch ich befindet sich Smith in den späten 40ern ihres Lebens und hat in den 1990ern das Erwachsenenalter erreicht, damals, als die Vorstellungen von Gleichberechtigung erst verwässert und dann auf T-Shirts kommerzialisiert wurde. Erst in den frühen 2010er Jahren konnten prominente Frauen öffentlich zum Feminismus stehen, ohne als Spaßverderberinnen oder Männerhasserinnen verspottet zu werden. Doch in den letzten Jahren ist unser Verständnis von Feminismus zersplittert, meint Smith: Auf der einen Seite stehen die Frauen der Boomer-Generation und der Generation X, die meinen, dass ihr Geschlecht untrennbar mit ihrer Biologie verbunden ist. Auf der anderen Seite stehen die (jüngeren) Gegner:innen der Geschlechter-Binärität. Diese denken, dass das Geschlecht einer Person unwichtig sei.
Die Situation ist komplex
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Natürlich ist die Situation komplexer als das, und für Leser:innen, die mit den Feinheiten der Geschlechterpolitik nicht vertraut sind oder keinen Bock auf die neuesten Kulturkriegen auf Twitter und Co haben, mag vieles verwirrend erscheinen.
Darüber hinaus malt Smith ein düsteres, aber überzeugendes Bild von Frauen mittleren Alters, die zu Unrecht diffamiert werden. Zuallererst von patriarchalischen Systemen, die versuchen, Frauenrechte zu beschneiden. Und jetzt von einer neuen Generation, die nach woker Gerechtigkeit strebt und "auf der richtigen Seite der Geschichte" stehen möchte. Sie beobachtet den gesellschaftlichen Ekel gegenüber den Wechseljahren, sie kritisiert auch die Verärgerung über die vermeintliche mangelnde Produktivität von Frauen – ohne zu berücksichtigen, dass viele von ihnen neben ihrer Arbeit auch Kinder und kranke Eltern betreuen. Und stellt darüber hinaus fest, dass die Weisheit älterer Frauen immer noch missachtet wird – obwohl man so vieles von ihnen lernen könnte.
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Hags illustriert geschickt, dass altersbedingte Frauenfeindlichkeit immer noch ein akzeptiertes Vorurteil ist. Indem das Buch die vielen Demütigungen aufzeigt, eskaliert eine große und gerechte Wut.
Ohne Konsens kein Weiterkommen
Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Denn wer nur Smith glaubt, gerät in die Gefahr, dass durch die Betonung des Generationenkonflikts die größten Unterdrücker aus dem Blickfeld geraten: Männer. Und zwar Männer mit Vulva-Neid. Es ist an der Zeit, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, eine Welt zu schaffen, in der Frauen aller Altersgruppen respektiert, gehört und wertgeschätzt werden. Und das bekommen wir nur gemeinsam gebacken.
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