Schluss machen
In Janinas wechselweiser Welt macht die Hauptdarstellerin den ersten Entzug ihres Lebens. Und schildert zum Weltnichtrauchertag ihre Phantomschmerzen.
Zuletzt habe ich über eine Packung Zigaretten am Tag geraucht. Vor allem während der Arbeit, weil ich es unglücklicherweise verinnerlicht habe, dass Rauchen und Schreiben nur gemeinsam funktionieren. Ich sitze zu 70 Prozent im Home Office, ich kann pofeln bis die Schwarte kracht, niemanden stört es. Aber für gewisse Freiheiten ist eben nicht jede:r gemacht.
Es ging so weit, dass ich nicht in den Arbeitspausen geraucht, sondern Pausen vom Rauchen gemacht habe. Denn in den Momenten, in denen ich die Wohnung putze, kochte, einkaufte oder sportelte – da ging es ohne Zigarette. Auch abends, vor allem zuhause. Rauchen – diese Tätigkeit war in meinem Gehirn mit den Gefühlen von Konzentration und Beständigkeit verschmolzen. Ich rauche, also bin ich? Ich rauche, also verdien' ich!
Etwas zum Anhalten in einer verrückten Welt
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Gönn dir? Nein, mit Genuss hat so ein Verhalten wenig zu tun. Es ist eher wie ein Griff nach einem Rettungsanker, der immer da ist, auch wenn die See noch so stürmisch tobt. Dann kam die Pandemie. Und festigte diese Glaubenssätze. Wenn du rauchst, dann kannst du mehr leisten. Wenn du rauchst, sind deine Texte besser. Wenn du rauchst, bist du in Meetings und in Gesellschaften lockerer. Wenn du rauchst, holst du dir ein kleinen Stückchen Kontinuität in eine Welt, die wahnsinnig geworden ist.
Wer sich mal derart programmiert hat, ist immun gegen jede Nichtraucher-Kampagne. Rauchen wird dann Identität. Die grausigen Bilder auf den Zigarettenpackungen? Da rührt sich nichts. Die vielen eindeutigen Krebsstatistiken? Nichts. Das liebe Geld? Verdrängt man. Die Falten um Mund und Augen? Löst man bei der Hautärztin, soweit es eben geht. Die vorwurfvollen Blicke der anderen Menschen? Machen einen sogar wütend. Blöde Spießer. Was ist bloß aus Sex, Drugs an RocknRoll geworden? Alles so glatt, poliert, rosig und gesund. Angepasst, gleichgeschaltet. Hunde, wollt ihr ewig leben?
Auf Raten zerdrückt von der Würgefeige
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Das, was ich da so blumig beschreibe, kann man getrost als die wahrscheinlich dümmste Revolte im Sammelsurium der menschlichen Untiefen bezeichnen. Denn ist dem Rebellen nicht die Freiheit das höchste Gut? Nun, es ist nicht gerade wahnsinnig frei, wenn man frühmorgens erst mal Tschick kaufen gehen muss, bevor man nur einen Satz in die Tastatur hackt. Es ist im höchsten Grad unfrei, auf der Party nicht weiterfeiern zu können, wenn keine Zigaretten mehr da sind.
Es ist eine harte Sucht. Man hängt an ihrer Angel. Man lässt den Rauch tief in sich hinein, nicht nur in die Lungen, er erfüllt dich, er erhält dich, er täuscht dich, er verführt dich. Wie die tropische Würgefeige, die sich um einen Baumstamm räkelt. Fester und fester. Irgendwann nach vielen Jahren erdrückt sie dann ihren Wirten – übrig bleibt ihr eigenes riesiges, hohles Gerüst.
Die Tschik und ich, wir waren eine Symbiose. Wir haben uns geliebt. Naja, ich habe die Tschik geliebt. Ich befürchte, sie waren nur hinter meinem Geld her. Und meinem Baumstamm.
Ich habe aufgehört zu rauchen
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Jetzt hab' ich also Schluss gemacht mit meinem toxischen Lover. Vor 21 Tagen habe ich aufgehört zu rauchen. Und ich befürchte, ich bin von meiner Würgefeige schon etwas ausgehöhlt. Es fühlt sich jedenfalls so an, als wäre da ein Loch, eine Lücke in mir. Da ist nicht mehr, was mal war. Fühlt sich an wie ein Abschied, wie ein Abschließen, es tut weh. Phantomschmerzen. Als würde man einen amputierten Fuß kratzen.
Ins Detail gehen, das kann und werde ich jetzt nicht – mehr über meinen Selbstversuch lest ihr dann ausführlich im Health Magazin Carpe Diem. Auch von den vielen, vielen Benefits werde ich berichten. Und natürlich darüber, was mir auf meinem Weg geholfen hat. Wer in mir und mit mir den Reset-Knopf gedrückt hat.
Verwirrt, aber mit frischer Energie
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Ich habe aufgehört zu rauchen, aber ich bin immer noch Raucherin. Eine gleichgültige Raucherin vielleicht. Eine, die stärker ist als ihre Sucht. Eine, die weiß, dass Nikotin arm, schirch, faltig und tot macht – aber eine Raucherin. Noch jedenfalls. The Road is long. Dass ich es überhaupt so weit geschafft habe – undenkbar, unglaublich.
Der Nikotin-Entzug entfacht ein ganzes Feuerwerk an positiven Veränderungen – als wäre ich aus einem zu langen Nachmittagsschläfchen aufgewacht, verwirrt, aber mit frischer Energie. Eines war in mir glücklicherweise immer stärker als jedes Verlangen, jede Sucht: Die Neugier auf das, was nun noch kommen kann.
Und ja – bitte, danke: Ich werde keine von diesen verkniffenen Zeigefinger-Nicht-Raucher:nnen. Ich werde einfach so wie jetzt, nur halt ohne Tschik. Mein (noch weit entferntes) Ziel ist es, vielleicht mal in einer wilden Party-Nacht, ein paar Heets in den güldenen IQOS zu stecken oder ab und an selbst zu wuzeln. Mal sehen.
Bis dahin ist noch so manche Schlacht zu schlagen. There's a hole in our soul that we fill with dope and we're feeling fine – jetzt muss ich erst mal ein Loch stopfen lernen. Und zwar eins, dass ich mir selbst in den Pelz gebrannt habe.
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