Die Angst vor der Angst
Warum rennen wir zum Frisör, ins Yogastudio oder zum Beauty-Doc, aber nicht zur Krebs-Vorsorgeuntersuchung? Kolumnistin Janina Lebiszczak wundert sich.
Es war ein lauer Sommerabend, wir – vier prächtige Weibsbilder jenseits der 40 – lungerten um den Pool und befummelten unsere Brüste. Sehr konzentriert, sehr intensiv. Unsere eigenen, die der anderen. Nein, was ich da schildere ist nicht der Beginn eines Softpornos für Menschen, die es reif und saftig mögen. Es hatte einen durchaus ernsten Grund: Eine liebe Bekannte hatte gerade die Diagnose Brustkrebs erhalten. Duktales Carcinoma in situ, das Frühstadium eines epithelialen Tumors – noch ohne Wachstum. Diese Nachricht versetzte uns in helle Panik, und zwar nicht nur aus Sorge und Nächstenliebe.
Mammo-Faulheit Ü40
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Ich hatte meinen ausstehenden Busen-Check auf Grund von galoppierendem Termin-Wahnsinn gerade verschoben (insgesamt dreimal), eine Freundin war das letzte Mal nach ihrer Schwangerschaft bei der Vorsorgeuntersuchung (das Kind ist mittlerweile sieben), eine andere verweigerte die Mammographie mit dem Grund sie hätte sonst schon genug andere gesundheitliche Probleme. Nur Freundin Nummer vier bekam ein Sternderl ins Mitteilungsheft – sie begibt sich einmal im Jahr zum Allround-Check.
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Ein insgesamt erschreckender Tag – nicht nur wegen der Diagnose meiner Bekannten, die einen durchaus gesünderen Lebensstil pflegt als unsere Golden Girls-Gang. Mammo-Faulheit kann Leben kosten. Brustkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Im Anfangsstadium verläuft diese Dreckskrankheit symptomlos, je früher das Mammakarzinom entdeckt wird, desto eher ist es heilbar. Aber diese Chance vergeben wir nur zu oft. Freiwillig.
Schön oder gesund
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Die innere Schweinhündin kennt zig Gründe wieder einmal nicht zum Vorsorge-Check zu gehen: Angst vor der Untersuchung, Angst vor Schmerzen und vor allem: Angst vor einer schlechten Nachricht. Ich befürchte jedoch, dass all diese Ängste ein Pappenstil gegen die Angst ums eigene Leben sind, wenn der Tumor bereits streut. Ganz kann ich es ja nicht nachvollziehen: Wir rennen vom Frisör zum Nagelstudio, zupfen jedes lästige Kinn-Haar aus, machen Yoga fürs Kreuz und Zumba für die Beine – aber unsere Brüste sind meistens nur Thema, wenn sie im neuen Kleid zu groß oder zu klein wirken oder zu schlackern beginnen. Fit, schlank und sexy wollen wir sein – aber gesund und krebsfrei nicht?
Angstfrei leben
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Hand aufs Herz – wann warst Du das letzte Mal beim Gyn? Gebärmutterhalskrebs betrifft knapp 900 Frauen pro Jahr in Österreich. Schuld daran: die fiesen HPV Viren – jeder kennt sie, jeder hat(te) sie –, und einige Frauen sind deshalb jetzt unfruchtbar oder krank oder beides. Weil man den Sexualpartner – zumindest in gewissen Lebensphasen – öfter wechselt als die Pyjamahose und das Kondom scheinbar aus der Mode gekommen ist. Und Walter, Toni oder Thomas meistens keine Ahnung haben, dass ihr Unterleib nebst Spaß auch jede Menge Probleme bereitet: Die Viren können ein Leben lang am Infektionsort verbleiben, verursachen zwar keine neuen Symptome, können aber auf andere Sexualpartner übertragen werden.
Mittlerweile gibt es die Möglichkeit beim Gyn einen HPV-Test zu machen – zur Identifizierung von Risikopatientinnen, b e v o r eine Krebsvorstufe oder Krebs entsteht. Während der konventionelle Abstrich die Erkrankung erkennt, sucht der cobas-Test nach der Ursache – nach der Infektion mit HPV.
Es gibt also kaum mehr Grund für die Angst vor der Angst. Und unsere Brüste sollten es uns soundso wert sein – also ab zum Screening, meine Damen! Der Frisör und das Yogastudio haben morgen auch noch offen.
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