Harte Alte: Warum mir die Action-Heldin Lou Mut macht.
Von wegen nette, alte Dame: Noch nie hat sich eine über 60-Jährige im Film so schön geprügelt. Dürfen Frauen im Film nun grimmig sein?
Am Wochenende habe ich mir einen Film auf Netflix angesehen: Lou ist düster, grimmig und gnadenlos, ein solider Survial-Thriller, in dem sich der abgebrühte Held bis an sein Ziel kämpft. Nur dass der Held eine Heldin ist und: über 60.
Hauptfigur Lou ist eine Frau, die man besser in Ruhe lässt, eine mürrische Einsiedlerin, eine perfekte Jägerin mit grauer Mähne, eine – wie man später erfährt – perfekt ausgebildete Killermaschine. Kein Hauch von Femme Fatale, kein Hauch von Mitgefühl oder gar Mütterlichkeit. Das bisschen Liebe, das sie noch überhat, investiert sie in ihren Hund. (Ein Charakter, den man aus Survival-Filmen eigentlich gut kennt, nur hießen die Darsteller da meistens Clint Eastwood oder Liam Neeson.)
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Die wenig altersmilde Lou kämpft sich, während ein gewaltiger Sturm auf einer Insel wütet, durch eine Rettungsmission, die sie an ihre Grenzen bringt und dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht bringt. Klassisch eigentlich. Und doch grenzüberschreitend. Die große Kampfszene etwa bleibt unvergessen: Lou humpelt – die fragile, verwirrte Alte spielend – in die Hütte der Bösewichte und schaltet sie aus. Schnell, präzise und effizient. Sehr realistisch noch dazu, ich kann mich nicht erinnern, dass ich je etwas Vergleichbares gesehen habe.
Tough mit über 60?
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Actionheldinnen haben mich schon immer fasziniert, vielleicht wollte ich insgeheim selbst immer eine sein. Die Idole meiner Jugend hießen Ripley (aus Alien) und Sarah Connor (aus Terminator). Körperliche Kraft, Köpfchen und Überlebensinstinkt in Kombination, das hat mir gefallen. Und mir gefiel, dass Action im Laufe der Jahre immer weiblicher wurde: Michelle Yeoh, Zoe Salanda und Charlize Theron schossen, prügelten und rasten einfach besser als ihre männlichen Kollegen. Nur – bis auf Hellen Mirren in RED – schien Hollywood beim Cast immer auf Nummer sicher zu gehen. Keine der Held:innen war über 50. Ganz im Gegenteil zu den Herren, die im Kino oft deutlich über der Pensionsgrenze wüten und im Anschluss ihre jüngere Gespielin küssen.
Von wegen altersmilde
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Einzelkämpferin Lou verzichtet auf Zärtlichkeit und durchstößt die gläserne Decke mit ordentlichem Karacho. Was auch an der Darstellerin liegt: Den Titelpart übernahm Oscar- und Emmy-Gewinnerin Allison Janney, 62. Für den Film trainierte sie mit dem gleichen Team, das schon Charlize Theron auf ihren Auftritt in Atomic Blonde und Halle Berry auf John Wick: Kapitel 3 vorbereitete.
Action ist ein Genre, in dem ich schon immer spielen wollte, aber nie die Gelegenheit dazu hatte. Als Frau über 60 hätte ich nie gedacht, dass es passieren würde, erinnert sie sich. Dann kam dieses Drehbuch, ich traf mich mit der Regisseurin und wir sprachen ganz offen darüber, was das Ganze beinhalten würde. Anna sagte: Es wird dunkel, schmutzig und nass. Es wird nicht einfach. Bist du bereit? Und ich sagte: Absolut. Ich habe Angst, aber ich will es, und ich weiß, dass ich der Herausforderung gewachsen bin.
Die Lou in mir
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Tatsache: Eine post-menopausale Frau muss nicht automatisch gebrechlich und hilfsbedürftig werden. Sondern ist durchaus in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, stark und mächtig zu sein. Das gibt mir Mut. Ich bin 47 und mein Leben ist nicht vorbei. Ich habe spät mit dem Sport begonnen, obwohl ich jegliche Voraussetzung mitbrachte, um darin erfolgreich zu sein. Eine Athletin wird nimmer aus mir, dazu esse, feiere und schlafe ich zu gerne. Aber das Training gibt mir Selbstbewusstsein – und das ist schon mal die halbe Miete.
Nein, ich will nicht wie Lou sein. Wenn es stürmt, bleibe ich lieber drinnen, und Waffen verachte ich soundso. Aber widerstandskräftig will ich bleiben, seelisch wie körperlich. Lasst euch eure Kraft nicht nehmen. Lasst euch nicht entmutigen. Das Abenteuer wartet.
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