Generation Gap
Was ist dran am jüngeren Mann? Wechselweise-Kolumnistin Janina Lebiszczak überlegt, ob sie den Sprung in den Jungbrunnen wagen soll.
Wenn eine Frau meines Alters mit einem deutlich jüngeren Mann unterwegs ist, kann das sehr lehrreich sein. Und mit unterwegs meine ich in diesem Fall nichts Fleischliches, denn ich möchte von meinen Erlebnissen als Reise-Journalistin erzählen, bei denen mich oft Fotograf David begleitet. 20 Jahre trennen uns – und auch so mancher Blick aufs Leben.
Fotograf David (Jahrgang Generation Z bzw. Post-Millennial) gehört ganz definitiv einem andern Schlag Mann an als jenen, den die Generation X und abwärts ausgespuckt hat. Er ist das Gegenteil eines Boomers, er trägt mehr Kajal ums Auge und schöneren Nagellack als ich, er ist aware (nicht woke – das wäre unendlich anstrengend), setzt sich für Gleichbehandlung, faire Chancen am Arbeitsmarkt und LGBT-Rechte ein. Rassismus, Rechtsruck und aufgesetzte Schönheitsideale sind ihm ein Graus. PKW braucht er keinen, überhaupt ist ihm Repräsentieren nicht so wichtig. Er ist sanft und sensibel und ein toller Begleiter.
DIVERS ODER KOMPLIZIERT?
In alltäglichen Situationen zeigen sich die Unterschiede. Als mir zum Beispiel auf Reisen ein Schaffner ein wenig raffiniertes Kompliment auf engem Raum machte, fragt er sofort nach, ob er etwas sagen solle, ob ich mich unwohl fühle. In meinem Kopf startete ein wirres Gedankenkarussell. War der Schaffner übergriffig? Oder handelte es sich (So eine schöne Frau und endlich eine, die so groß ist wie ich) einfach um eine unverfängliche Alltagsplauderei?
Wer heute jung ist, hat einen völlig anderen Blick auf Verhältnismäßigkeiten. Und auch unendlich viel mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten – vor allem sexuell. Bisexualität etwa wird gelebt, und zwar im Alltag – nicht betrunken auf einer Party. Gender ist fluid geworden, man muss sich nicht mehr entscheiden, weder bei der Partnerwahl noch in der Mode. Kinder werden geschlechtsneutral aufgezogen. Und alles ist ein bisserl komplizierter als früher.
HER MIT DEN ALTEN
%MEDIUM-RECTANGLES%
Die Welt, aus der ich komme, ist einfacher gestrickt. Die Generation X (1965 – 1979) hat eine dickere Haut, ob das gut ist oder schlecht, sei dahingestellt. Tatsächliche Übergriffe jenseits von Schaffner-Komplimenten sind wir als Frauen gewohnt und haben eigene Coping-Mechanismen entwickelt, die schließlich in der #metoo-Bewgung kumulierten. Wir haben gelernt, darüber zu reden, was wir erleben. Das unterscheidet uns maßgeblich von den Männern unserer Jahrgänge. Die sprechen kaum und selten über ihre Gefühle. Dafür scheint bei ihnen alles etwas klarer, selbst wenn ihr Weltbild aus heutiger Sicht etwas konservativ anmutet. Sie mögen starke Frauen, aber sie sind weit davon entfernt, Phänomene wie Genderfluid und Cancel-Culture zu verstehen.
Wie ich mich entscheiden würde, wenn ich mich entscheiden müsste? Eine schwierige Frage. Endlich wäre er am Markt, der Mann, der Frauen achtet und versteht, dem der Inhalt wichtig ist und nicht die Verpackung, der Mann, der jenseits der normativen Heterosexualität lebt. Und sehr wahrscheinlich: Auch der Mann, der dementsprechend gut im Bett ist. Trotzdem habe ich ein Herz für Boomer und Generation X-ler. Sie sind vom Leben bereits geprägt, sie haben Patina, wenn auch nicht immer die Schönste. Sie pflegen ihre Eigenarten und sie sind lernfähig, wenn man ihnen auf Augenhöhe und freundlich erklärt, was zu weit geht, was kränkt und was man sich wünscht.
JUNGBRUNNEN JUNGER LOVER?
Ob ich mir jemals etwas mit einem jüngeren Mann anfangen werde? Immerhin wird er für wechselweise-Frauen Ü45 als veritabler Jungbrunnen gehandelt – aufmerksam, aufgeschlossen, potent. Bis dato und bis auf ein paar wenig prickelnde Ausnahmen bin ich den Männern meiner Generation treu. Vielleicht liegt es daran, dass ich keine Mutter bin. Und junge Kerle in mir mütterliche Gefühle hervorrufen, was sich sehr ungewohnt anfühlt und jedes Flirten versaut. Vielleicht mag ich aber auch einfach Falten, Narben und Bäuche gerne. Falls sich das aber jemals ändert, verspreche ich hier darüber zu berichten.
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