Der Menopausen-Clown stürzt ins Sommerloch
Begegnung mit einem Roboter, russisches Gas und Europa vor dem Kollaps. Sachen passieren, dass man sogar die Wechseljahre vergisst. Man muss das alles positiv sehen.
Erst wollte ich eine Kolumne ohne Inhalt, also ein leeres Word-Dokument, abgeben und das Ganze als Kunstprojekt tarnen. Titel: Innere Leere, eine Installation. Man hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass das so nicht geht. Ich möge doch ein paar Sätze aneinanderreihen, habe allerdings nicht den geringsten Schimmer, worüber ich schreiben soll. Es muss an der Andropause liegen. Ich sitze in einer Höhle aus Stumpfsinn. Stupor-Man statt Superman.
Vorige Woche waren meine Frau Lena und ich zu Besuch bei Verwandten in Tallinn. Estland ist, was die Digitalisierung betrifft, sehr weit. Wir gingen bei prächtigem Sonnenschein spazieren, als uns plötzlich ein Roboter entgegenkam. Kein Schmäh. Ein hüfthoher Würfel mit einer Antenne und einem roten Wimpel am oberen Ende rollte über das Trottoir, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Was ist das?, fragte ich. Der bringt Essen zu den Leuten, sagte Lena. Aha. Als der Roboter auf unserer Höhe war, blieb er höflich stehen und ließ uns passieren. Dann rollte er weiter, um jemanden eine Pizza zu liefern. Das Baltikum ist ein einziges Rätsel.
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Die Fluglinie Ryan Air war so freundlich, uns beim Rückflug sieben Stunden am Gate warten zu lassen. Technische Probleme, meinte die Flugbegleiterin und setzte eine professionelle Miene auf, die alles heißen konnte. Höhere Gewalt, Schicksal, mir-ist-das-wurscht, ha-ha-ha. Reisen ist heutzutage wie Lotto-Spielen mit Urlaubstagen. Man zahlt und hofft.
Bald kommt die Polizei mit dem Thermometer
Und hier in Wien die Hitze, alle reden über die Hitze und das Russengas und den bedrohlichen Herbst, dass wir uns zwei Pullover anziehen und nicht mehr baden sollen, sondern duschen, weil das ordentlich Energie spart. Im Ernstfall bitte nur mehr bis neunzehn Grad heizen, sonst kommt die Polizei mit dem Thermometer und straft einen kaltherzig ab.
Ich selbst lebe ohnedies schon auf Sparflamme und bewege nur mehr meine Finger über die Tastatur; ich habe mich auf das Nötigste reduziert. Die täglichen Horrormeldungen aus der Zeitung zerbröseln jede Hoffnung. Putin, Putin, Nehammer, Putin, Gewessler, Putin, Putin, Putin. Der Euro so stark wie DKT-Geld, Europa vor dem Kollaps, Drohungen mit dem nuklearen Armageddon und obendrein die Wechseljahre mit den üblichen Symptomen.
Schwindel, schwitzen und schnarchen wie Pavarotti
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Meine Frau klagt über den Schwindel und das Schwitzen und mein Schnarchen – Du bist so laut wie der Pavarotti am Schluss von Nessun dorma, hat sie gesagt – , also alles wie sonst. Man hört keine Witze mehr, niemand haut sich ab. Aus Angst vor Ächtung. Der Menopausen-Clown ist angehalten, Witze nur mehr über sich selbst zu reißen, damit sich niemand beleidigt fühlt. Das heißt, ich mache mich über mich selbst lustig und bin dann auf mich beleidigt. Ich starte einen Shitstorm als Bumerang, indem ich mir selbst hundert erboste E-Mails schicke. Du Schwein! Wie konntest du das nur schreiben! Schäm dich! Schämen und sich entschuldigen liegt schwer im Trend.
Der Begriff Mann gehört gesetzlich abgeschafft
In Deutschland gibt es Tendenzen, das Wort Frau zu verbieten und durch »menstruierende Person« zu ersetzen. Ich frage mich, wie das dann heißt, wenn die menstruierende Person in den Wechsel kommt. Wechselhafte Person? Nur Person? Man kennt sich kaum mehr aus, was man noch sagen oder schreiben darf oder nicht. Ich finde, auch das Wort Mann gehört sprachgesetzlich verboten und durch Geschöpf mit einem Penis oder auch nicht ersetzt. Es braucht mehr Kontrolle dieser Tage. Präzision im Ausdruck und ein Ausmisten des Wortschatzes.
Früher war der Sommer im Journalismus noch beherrscht vom sogenannten Sommerloch. Wo Geschichten in Seichtheit gebadet daherkamen. Das Sommerloch war ein Geflecht aus erhitzter Nichtigkeit und wert, besprochen zu werden. Jahrhundertsommer! Hitzerekord! Toni Faber weiht einen Big Mac! Heute hören wir von Infektionszahlen, Hyperinflation, Blackout und globalem Zittern.
Portwein aus dem Füllhorn und LSD mit einem Smiley
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Die einzige Lösung, da hat der Kanzler vollkommen recht, sind Alkohol und Psychopharmaka. Ich bin gespannt, wann sie uns nach dem Gießkannenprinzip nicht nur ein paar Hunderter Energiekostenzuschuss ausschütten, sondern auch Prosecco, Grünen Veltliner und Portwein aus dem Füllhorn, dazu einen Geschenkkorb von Pfizer: Antidepressiva, Stimmungsstabilisierer, Antipsychotika, Antidementiva, Hypnotika und ein bisserl LSD auf buntem Löschpapier mit einem Smiley – für besonders schlimme Tage. Der Gesundheitsminister schmeißt eine Lokalrunde fürs ganze Land, und Vizekanzler Kogler zeigt vor, wie man sich im Ernstfall richtig sediert. So besiegt man die Unzeit und übersteht auch gleich die Wechseljahre. Haldol tut wohl!
Schmusen mit Gasmasken und stricken für später
Meine Frau und ich üben schon. Wir haben die Hausbar zum Panic Room erklärt und schmusen neuerdings mit aufgesetzten Gasmasken. Wir haben Vorräte angelegt, aber nur trinkbare. Und natürlich haben wir zu stricken begonnen. Handschuhe, Socken, Hauben. Wir bereiten uns vor, wir kommen unserer Bürgerpflicht nach.
Wir hauchen uns gegenseitig Wärme zu und reiben uns die Hände über einer roten Kerze. Die Zeiten sind rau. Wir lesen uns Betriebsanleitungen von Stromgeneratoren durch, und wir schauen uns schöne Filme an. The Day After, World War Z, Independence Day, Terminator 3, Die Wolke, Mission Impossible: Fallout und natürlich den Klassiker Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben.
Positiv denken und gelbe Westen im Kleiderschrank
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Nein, wir sind keine Pessimisten, wir haben positive Gedanken, wir leben, wie es sich gehört: achtsam, nachhaltig, im Hier und Jetzt. Die Wechseljahre sind ein Geschenk, sagen wir uns. Lass uns gemeinsam schwitzen. In jeder Depression steckt auch eine Chance!
Stürzen wir uns jauchzend ins Sommerloch, so lange es noch heiß draußen ist, und warten wir, was die nächsten Wochen so bringen. Wir haben auch schon zwei gelbe Westen im Schrank. Man kann nie wissen, welche Mode plötzlich en vogue wird. Schönen Sommer wünscht der Menopausen-Clown, cheers!
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