Der Menopausen-Clown, seine Feindin & das Ritual bei Vollmond
Die Welt ist im Wechsel. Überall Verwerfungen. Gerade deshalb ist es wichtig, den Humor nicht zu verlieren wie einen alten Zahn. Sonst wird man allergisch aufs Glück.
Ich habe einen Baum als Feindin: die Birke. Ihre giftgelben Pollen flirren durch die Luft, dass es nur so staubt. Für Allergiker ist das jedes Jahr zur selben Zeit das gleiche Gfrett. Wenn alle lustig aufatmen, durch die Parks zum Picknick tänzeln und den Frühling wie einen alten Freund begrüßen – Schau, der Magnolienbaum blüht schon, mei! –, genau dann sitze ich im abgedunkelten Schreibzimmer und reibe so lange meine verquollenen Augen, bis ich ausschaue wie der Schlagersänger Heino auf Heroin.
Rund die Hälfte der Österreicher sind Allergiker, und einer von vier ist Opfer der gemeinen Birke. Das heißt, ich habe das 25-Prozent-Los gezogen, die immunreaktive Arschkarte, wir gratulieren ganz herzlich.
Du musst das positiv sehen, sagte meine Frau. – Eh.
Die Nase läuft, die Bronchien rasseln, der Blick ist wässrig wie bei schwer Suchtkranken, denen sie das Methadon versteckt haben, und meine Antihistaminika helfen weniger als ein Tic-Tac. Prosecco und vor allem Rotwein sollte man meiden, aber wer kann das schon. Und dazu die ganze Unbill mit der Andropause. Schwitzen im Schlaf, Antriebslosigkeit, Unrast, Stumpfsinn. »Du musst das positiv sehen«, hat meine Frau gesagt. Das war sehr hilfreich. Seither sehe ich alles positiv.
Sogar das Schnarchen, das sie als störend und ziemlich lästig empfindet. Ich habe ihr gesagt: »Schatzi, ich sehe das Leben jetzt positiv. Wie du gesagt hast. Meine nächtlichen Geräusche sind nichts anderes als akustischer Frohsinn. Mein Sägen ist ein Singen. Das Geheul des Wechsels.« Affenkopf hat sie mich genannt. Stellen Sie sich das vor.
Gin Tonic und Franz Kafka – Notizen zu Nehammer
%CONTENT-AD%
Jedenfalls, die Welt zurzeit positiv zu sehen, dazu gehört schon viel Gin und wenig Tonic. Überall Verwerfungen. Krieg ist die äußerste Zuspitzung von Krise. Und immer die Aussetzung aller Regeln. Gewohnheiten werden umgestürzt, nichts ist mehr sicher. Man muss sehr bei sich sein im Achtsamkeitsanfängerkurs, um am Beginn eines Krieges einen Tagebucheintrag hinzubekommen wie Franz Kafka, der am 2. August 1914 notierte: »Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. – Nachmittag Schwimmschule«.
In Anlehnung dazu habe ich in mein schwarzes Moleskine-Büchlein gekritzelt. »Nehammer hat Putin besucht. – Kein Wodka für Cobra-Beamte.«
Um der Pollenallergie zu entfliehen, sind meine Frau und ich auf Urlaub gefahren. Ehrlich gestanden, sind wir geflogen, aber das darf man heute nicht mehr laut sagen. Fernreisen sind was für dekadente Klimamörder. Fernreisen, Autofahren und Rindfleisch essen, das ist mittlerweile so, als würde man auf Facebook posten: Ich schlage gerne Welpen, du auch?
Höchste Zeit für eine feinstoffliche Prozedur
%MEDIUM-RECTANGLES%
Wir waren also auf einer Insel im indischen Ozean, wo sie am Abend ein Barbecue am Strand anrichten; du sitzt an einem Holztisch, die Füße im weißen Sand. Zum glücklichen Oktopus servieren sie einen arroganten Sauvignon Blanc. Das Meer rauscht im Hintergrund. Ein Vollmond wie ein Silbertaler auf dem Firmament. Höchste Zeit für eine feinstoffliche Prozedur.
Unter uns: Meine Frau hat in manchen Dingen recht seltsame Anwandlungen. Vor allem, was Aberglaube und gewisse Rituale betrifft. Haare schneiden nur an bestimmten Tagen. Keine negativen Gedanken bei besonderen planetaren Konstellationen. Und ausgewählte Zeiten nutzen, um die Gunst der Schöpfung zu erlangen. In dieser Nacht sollten wir eine spontane Magie auf uns wirken lassen. Von mir aus, dachte ich.
Du musst mit der Brieftasche klappern, sagte sie.
»Komm«, sagte Lena, »Wir gehen den Strand entlang, dort hinten hin, wo niemand ist. Nimm die Brieftasche mit, das ist wichtig.« Aha. Wir stellten uns um Punkt Mitternacht bei Ebbe knietief ins Meer, schauten hinauf zum Mond, der Himmel erleuchtet, und wünschten uns was Schönes vom Universum.
»Und jetzt musst du mit der Brieftasche klappern«, sagte meine Frau im Ernst. »Ganz schnell auf und zu machen.« Warum?, fragte ich. »Das bringt einen Geldregen.« Gut, sagte ich, das heißt, dann muss ich nie mehr arbeiten? »Im Gegenteil«, sagte sie, »mehr musst du arbeiten, viel, viel mehr.« Aha, dachte ich, super. Die Luft schmeckte salzig, die Zeit stand still. Ich machte mit meiner Brieftasche Bewegungen, als würde ein kleines Krokodil nach etwas schnappen, und dann war das Ritual auch schon zu Ende, die Magie verflogen. Der Mond starrte stumm auf uns herab. Menschen!
Der Geldregen blieb aus, das Universum schwieg
Wieder daheim in Wien, stellte sich kein Geldregen ein, sondern ein paar Rechnungen in der Post und eine Mahnung für eine Polizeistrafe. Möglicherweise hatte ich das Portemonnaie zu ungelenk bewegt, und das Universum wandte sich angewidert von mir ab. Wer weiß schon, wie diese kosmischen Gesetzmäßigkeiten wirklich funktionieren. Ich widmete mich wieder dem Profanen und schrieb weiter an einem Buch über einen wahnsinnigen Imker. Ja, solche Dinge beschäftigen halt mich.
Wer ist der langweiligste Mensch der Welt?
%EVENT%
Da ich als Schreiber ein sehr langweiliges Leben führe – die Dinge spielen sich naturgemäß im Inneren ab, das Außen gehört den Anderen –, stieß ich im Internet auf einen Artikel der Tageszeitung Heute: »Studie entlarvt den langweiligsten Menschen der Welt!«
Ich dachte, die hätten da ein Porträt über mich verfasst, aber nein. Forscher der englischen Universität Essex befragten 500 Personen zu Berufen, Charaktereigenschaften und Hobbys, die stereotypisch als saumäßig fad angesehen werden. Zu den ödesten Jobs überhaupt, stellte sich heraus, gehören: Datenanalyse, Buchhaltung, Steuern, Versicherung, Putzen und Banking. Die unspannendsten Hobbys: Religion, Schlafen, Fernsehen, Vögel beobachten, Mathe und Rauchen. Die langweiligsten Merkmale eines Menschen: Interessenlosigkeit, kein Humor, keine Meinung und ständiges Nörgeln. Genau meins.
Klar, die kennen den Menopausen-Clown nicht
%QUESTION%
In der Theorie schaut der langweiligste Mensch so aus: Ein Datenbearbeiter aus einer Kleinstadt, der jeden Sonntag in die Kirche geht und seine Freizeit vor dem Fernseher verbringt. Und da wusste ich: Die kennen den Menopausen-Clown nicht! Der verarbeitet jeden Tag Buchstaben, geht jeden Sonntag joggen und verbringt seine Freizeit mit Büchern von Franz Kafka. »Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.« Die unruhigen Träume rühren bei Kafkas Gregor höchstwahrscheinlich von der Andropause. Der Wechsel, eine Verwandlung.
Ich muss jetzt leider aufhören, die Nase rinnt, die Augen brennen, und die Birke weht ihren Höllenstaub weiter in meine Richtung. Ostern, Bewegungsmangel, Schnarchen. Alles wie sonst, bis zum nächsten Mal, Haaaaaaaatschi!
Schreib einen Kommentar ( 1 )