Autonom, autark, altersgerecht, frauengerecht, Plus-WG, Best Ager-WG, Alters-Wohngemeinschaft, Ü50-WG – es gibt viele Begriffe für ein Phänomen, das uns mehr und mehr beschäftigen wird. Noch scheint keiner der Begriffe treffend, noch klingt alles nach Fiktion – aber Pionierarbeit passiert meistens leise. Die ersten Pläne zu den Wohn-Modellen der Zukunft gelangen zusehends vom Reißbrett in die Realität. Denn immer weniger Menschen haben Lust darauf, ihren Lebensabend allein zuhause oder in einem anonymen Pensionistenheim zu verbringen. Sie wollen in eine Wohn- oder, noch besser, Hausgemeinschaft, zusammen mit Menschen, mit denen sie gut auskommen und mit denen sie ich die Kosten für Pflege oder sonstige Bedürfnisse teilen können. Gemeinsam ist man bekanntlich stärker, vor allem dann, wenn die Knochen schwächer werden, aber der Geist noch offen ist.
Privat und doch nicht allein
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Privatsphäre genießen und doch zusammenleben – ist das möglich? Ja, sagt Architektin Martina Barth-Sedelmayer – denn dieser Trend wird von demographischen und gesundheitlichen Faktoren befeuert: Alt werden und selbstbestimmt leben, das ist der Wunsch der meisten Menschen. Der Wohn-Bedarf hat sich stark verändert. Familienkonstellationen, Beziehungs- und Lebensformen sind heute individueller, komplexer und freier. Viele Menschen schätzen ihre Privatheit, aber auch die Gemeinschaft mit Menschen, die ähnliche Interessen und Ansichten haben. Eine Zwangsgemeinschaft in einem Altersheim ist eine abschreckende Vorstellung.
Clan-Power: Wohnen im Verband hält jung und gesund
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Hinzu kommt: Umfeld und Lebensgestaltung tragen dazu bei, länger gesünder alt zu sein und zu werden. Es gibt viele Faktoren, die positiv unterstützen. Die Architektin rät zum Blick auf die sogenannten 'Blue Zones', also jene Regionen der Welt, die sich durch eine besonders langlebige Bevölkerung hervorheben. Neben gesunder Ernährung und moderater, aber stetiger Bewegung ist vor allem auch die Sinngebung ein Faktor, der zu einem langen, erfüllten Leben führt. Dies geschieht durch Engagement im familiären, sozialen und auch spirituellen Leben. Gemeinsam essen, feiern und sich im Notfall auch gemeinsam durch Krisen tragen – das Dasein im Verband sorgt für ein mehr an Sicherheit und Unabhängigkeit.
Besonders interessant: Gerade Frauen haben oft sehr konkrete Vorstellungen, wie und mit wem sie Ihren Lebensabend verbringen wollen. Oft ist es nicht der/die Partner:in, sondern eher eine oder auch mehrere Freundinnen. Die Rollenverteilung ist hier oft einfacher und klarer. Individualität und Gemeinschaft lassen sich besser vereinbaren. Und auch die finanzielle Selbständigkeit spielt dabei eine große Rolle. Es gibt die verschiedensten Modelle, die andere Lebens- und Beziehungsformen integrieren, so Barth-Sedelmayer.
Neue Wohnformen gegen Einsamkeit
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Mit ihren Partnern bei Syntax Architektur plant sie schon heute das Wohnen von morgen: Uns interessieren besonders Wohnformen, die einen sozialen Aspekt bieten. Jeder, der in einer größeren Familie oder einer Gemeinschaft aufgewachsen ist, weiß wie wichtig es ist, sowohl Privatheit als auch Gemeinschaft zu leben. Das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Seiten ist eine architektonische Aufgabe. In unserer zivilisierten Gesellschaft bewegen wir uns immer in Räumen, sei es der private Wohnraum, die Schule, der Arbeitsplatz oder der öffentliche Raum, Straßen, Parks etc. Alles ist gestalteter oder auch weniger gestalteter Raum, in dem wir uns wohlfühlen oder auch nicht, und dies trägt wesentlich zur Gesundheit bei.
Wohnen im Alter, so die Architektin, sei auch deswegen ein wichtiges Thema, weil die soziale Komponente oft wegbräche, das führe zu Vereinsamung – und der Suche nach neuen Wohnformen. Dafür gibt es mehrere Ansätze, die sich je nach Bedürfnis und Budget unterscheiden, die jedoch immer private Rückzugsbereiche ebenso wie Gemeinschaftsbereiche beinhalten, etwa
- Sozialer Wohnbau mit Fokus auf betreutes und betreubares Wohnen in Kombination mit Familien-Wohnen,
- kleinere Wohnbauten mit Betreuungsoption, die privat organisiert sind für Menschen, die eine Wohnung kaufen wollen,
- Umbau von größeren Einfamilienhäusern zu Generationenwohnen oder zu Wohngemeinschaften.
Unterschiedliche Wohn-Modelle: Was passt zu mir?
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Noch sind die meisten Projekte privat oder von gemeinnützigen Genossenschaften initiiert. Innovativere Konzepte umfassen auch Ökologie, Mobilität oder gemanagte Gemeinschaftsräume und -angebote.
Stark nachgefragt sind kleinere, private Hausgemeinschaften, die bis zu 25 Eigentumswohnungen anbieten, mit gemeinschaftlichen Flächen, die auch für Arzt, Kosmetik, Massage etc. genutzt werden können. Sie bieten kleins, aber feine Refugien mit privaten, aber auch hochwertigen gemeinsam nutzbaren Räumen und gepflegtem Garten.
Auch privat organisierte Wohn- oder Hausgemeinschaften werden immer beliebter: Gruppen von Freunden suchen gemeinsam eine Immobilie und bauen sie nach individuellen Bedürfnisse um. Oder es gibt schon ein Haus im Besitz, das entsprechend neugestaltet und an die Freund:innen vermietet werden kann.
Auf dem Weg zur Hausgemeinschaft – die besten Tipps der Wohn-Expertin
- Privatheit und Gemeinschaft: Ein heikles Thema. Denn alle gemeinschaftlichen Bereiche müssen organisiert, gereinigt und gemanagt werden. Falls es einen Garten gibt, ist auch zu bedenken, dass nicht alle die gleiche Liebe zum Gärtnern haben. Und wie will man es mit Haustieren halten? Es ist also ein Plan notwendig, damit alle Bereiche von den jeweiligen Bewohner:innen abgedeckt werden. Am besten so, dass es allen Spaß macht.
- Mobil bleiben: Auch der Level an Barrierefreiheit muss bedacht und integriert werden. Von den rechtlichen Rahmenbedingungen bis zur Möglichkeit eines zweckmäßigen Umbaus.
- Wie, wo und mit wem: Die passenden WG- oder HG-Partner:innen zu finden ist ebenso wichtig wie die Gestaltung und die Lage. Manche vertrauen dem Bauchgefühl, andere wollen sich umfassend informieren. Wechselweise haben diesem Thema bereits einen Beitrag gewidmet, auch auf dieser Website gibt es viele interessante Informationen.
- Passende Infrastruktur: Alle Beteiligten sollten sich einig sein, was für ein gemeinsames Altwerden wichtig ist. Das beeinflusst die Lage der Immobilie (Nahversorgung, Ärzte, Spital ...), den Level der Barrierefreiheit oder auch die Anforderung einer Einliegerwohnung für eine Pflegekraft.
Der Weg ins individuelle Wohnglück für Golden Girls beginnt also damit, sich klarzuwerden, was man genau will. Die nächsten Schritte ergeben sich dann meist von selbst. Falls man Hilfe bei den Detailfragen braucht, empfiehlt sich professionelle Beratung.
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