Ob noch junge 25 oder schon 50: Bei der Diagnose Brustkrebs werden die meisten Patientinnen schlagartig in den Wechsel katapultiert. Hitzewallungen, Nachtschweiß, Schlafstörungen, Scheidentrockenheit, depressive Stimmung – von heute auf morgen können die typischen Wechseljahresbeschwerden auftreten. Gesunde Frauen dürfen zu synthetischen, bioidenten oder Phyto-Hormonen greifen. Nicht so Frauen mit Brustkrebs. Vor allem bei hormonsensitiven Tumorarten, also jenen, die auf Hormone – besonders das Östrogen – mit stark vermehrtem Zellwachstum reagieren, bedarf es einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung, betont Prof. Christian Singer, Brustkrebsexperte und Leiter des Brustgesundheitszentrums der Medizinischen Universität Wien, im Gespräch mit Wechselweise.
Östrogen und Progesteron fördern das Zellwachstum
%CONTENT-AD%
Etwa bei 80 Prozent der Brustkrebsfälle zeigt sich eine Empfindlichkeit gegenüber weiblichen Geschlechtshormonen. Vor allem Östrogen und Progesteron sind hier die Übeltäter. Sie beeinflussen das Wachstum von Brustkrebszellen, indem sie an Bindungsstellen, den sogenannten Hormonrezeptoren, der Zelle andocken und dann das Wachstumssignal ins Zellinnere weiterleiten.
Um herauszufinden, ob ein Tumor hormonabhängig ist, wird untersucht, wie groß der Anteil der Zellen und die Menge der entsprechenden Hormonrezeptoren ist, skizziert die Deutsche Krebsgesellschaft. Reagiert mehr als ein Prozent aller Tumorzellen auf das spezielle Markierungsverfahren, geht man davon aus, dass der Tumor hormonempfindlich ist. Dies wird durch die Angabe ER+ (Östrogenrezeptor-positiv) und/oder PgR+ (Progesteronrezeptor-positiv) dargestellt.
Mit Antihormontherapie das Wachstum stoppen
%MEDIUM-RECTANGLES%
Reagieren Krebszellen auf Hormone, wird in der Medizin davon ausgegangen, dass sie bei einem Hormonentzug ihr Wachstum verlangsamen oder gar stoppen. Deshalb kommt in solchen Fällen eine Anti-Hormontherapie zum Einsatz. Dies erfolgt entweder mit Aromatasehemmern – sie deaktivieren ein Enzym namens Aromatase und blockieren damit die Östrogenproduktion in den Zellen – oder mit einem Östrogenrezeptor-Hemmer (z.B. Tamoxifen). Dabei wird allerdings nicht die Östrogenproduktion gestoppt, sondern die Wirkung des Östrogens auf die Tumorzellen blockiert.
„Geben wir dann Hormone, konterkarieren wir den gewünschten Effekt“, erklärt Prof. Singer. Sowohl die Pille als auch andere Hormonpräparate sind tabu. Der Experte rät sogar von östrogenhältigen Kosmetika oder Produkten wie Estradiol-Gels und Pflastern ab. Zwar sei der Einfluss der Östrogene über die Haut oder die Vaginalschleimhaut eine geringe, dennoch zeigen sich Veränderungen im Blut – zumindest ganz diskrete. Die wissenschaftliche Antwort lautet daher Nein.
Schlafende Krebszellen können geweckt werden
%EVENT%
Weder synthetische noch bioidente oder Phyto-Hormone wie Isoflavone oder die Yamswurzel dürfen von Krebspatientinnen eingenommen werden. Jegliche Zufuhr von Östrogen, Progesteron, aber auch Gestagenen muss vermieden werden. Krebszellen schnappen sich jedes Hormon, das sie bekommen können. Deshalb ist es möglich, dass auch schlafende Tumorzellen wieder aktiv werden und in Folge Metastasen bilden. Das gilt im Übrigen für Östrogenrezeptor-positive und negative Tumoren, betont Prof. Singer. Denn auch letztere können stimuliert werden, wenn sie auch nur wenige Östrogenrezeptoren beherbergen.
Alternativen zu Hormonpräparaten
Eine Reihe an nicht-hormonellen Behandlungsmöglichkeiten können bei Hitzewallungen und Co. zum Einsatz kommen:
Lebensstilveränderung
%QUESTION%
- Bewegung/Sport
- Gesunde, bevorzugt mediterrane Keto-Ernährung
- Kaffee, Alkohol, Nikotin und scharfe Gewürze meiden
Pflanzliche Heilmittel
- Traubensilberkerzenextrakt (Cimicifuga racemosa) bei Hitzewallungen
- Mönchspfeffer (Vitex agnus castus) bei Stimmungsschwankungen und Nachtschweiß
- Salbei (Salvia) bei Schweißausbrüchen
- Lavendel (Lavandula) bei depressiver Stimmung und Schlafstörungen
Komplementärmedizin
- Traditionelle Chinesische Medizin (TCM): Akupunktur, Kräuter, Körperarbeit
- Homöopathie
- Schüssler Salze
Medikamente
- SSRI, SSNRI – Antidepressiva
- Antiepileptika wie Gabapentinoide
- Blutdrucksenker wie Clonidin
- Anticholinergika wie Vagantin
Diese Substanzen kommen vor allem bei Hitzewallungen und depressiver Verstimmung zum Einsatz.
Vitamine
- Vitamin E bei Hitzewallungen
- Vitamin D zum Schutz der Knochen und bei Osteoporose
In Ausnahmefällen trotz allem Hormone
Wenn trotz aller alternativen Konzepte die Wechseljahresbeschwerden anhalten und drastisch die Lebensqualität beeinträchtigen, gilt es, eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Abwägung anzudenken. Denn: „In speziellen Fällen muss man ein bisschen liberaler sein“, bringt es Prof. Singer auf den Punkt. Gerade wenn es um Themen wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche, aber auch Libidoverlust geht, die massiv das Privat-, Sozial- und das Berufsleben beeinträchtigen können, muss man darüber nachdenken: Was ist das Risiko? Was ist der Benefit?
In diesen Fällen ist Aufklärung das oberste Gebot. Die Patientinnen müsse wissen, dass Hormone ein potenziell erhöhtes Risiko darstellen. „Das Risiko, erneut an Krebs zu erkranken, schlägt alle anderen Risiken“, betont der Experte. Und dennoch gibt es Frauen, die dieses zugunsten der Lebensqualität auf sich nehmen, und Mediziner:innen, die sie in ihrem Wunsch begleiten. Wichtig ist: Niemals selbst handeln! Ziehe immer einen Arzt oder eine Ärztin deines Vertrauens zu Rate!
Weiterlesen: Akupunktur: Linderung von Beschwerden in den Wechseljahren
Weiterlesen 6 Heilkräuter, die Wechselsymptome lindern
Weiterlesen: Die besten Heilkräuter für die Wechseljahre
Weiterlesen: Hanf als Heilpflanze: Wie CBD & Co. in den Wechseljahren helfen können
Weiterlesen: Mikronährstoffe: Der Schlüssel zu Wohlbefinden & Vitalität im Wechsel
damit wir dein Konto freischalten.
Schreib einen Kommentar ( 0 )