Gianna Nannini hat das Rampenlicht auf ihren Nabel gezogen. Ihr Babybauch mit 54 ging als Wunderbild um die Welt. Das gibt’s ja nicht. 54! Laut eigenen Angaben bekam die italienische Sängerin ihr Kind auf natürlichem Weg, das war 2010. Die Weltpresse überschlug sich; es regnete Lob und Kritik. Wie wunderbar! Wie kann sie nur!
Das späte Mutterglück in Hochglanzmagazinen darzustellen ist nicht unbedingt der smarteste Weg, um das Thema aufzuarbeiten. Kinder im Wechsel zu bekommen ist kein Rekord. Vielmehr eine Frage des Wollens und Könnens. Es braucht drei Dinge.
- Vorsorge
- Umsicht
- Weitblick
Mit 45 hat die Frau kaum noch Eizellen
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Extreme Beispiele herzunehmen und als generell mögliches Mutterglück vorzuführen ist problematisch. Mama mit 54 zu werden sollte kein Lebensziel sein.
Die Biologie schüttelt den Kopf: Mit 45 hat die Frau kaum Eizellen mehr. Das ist ein Gesetz der Natur. An der Fortpflanzung lässt sich nur schwer manipulieren, und das sollte auch nicht getan werden.
Die Wechseljahre dienen dazu, die Fruchtbarkeit nach und nach einzustellen. Die Hormone geraten in arge Unordnung, die Eizellen schwinden wie Sandkörner im Sturm, die Frau fühlt, dass etwas anders geworden ist. Das Schicksal bedankt sich bei ihr und sagt: Du hast lange genug Zeit gehabt, ein Kind zu bekommen, aber irgendwann muss Schluss sein, Chérie. Danke für dein Verständnis.
Die Gründe für den späten Kinderwunsch
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Zu mir kommen immer wieder Frauen, die es trotzdem probieren möchten. Patientinnen mit 42, 43. Die eine hatte den Traummann einfach noch nicht gefunden, die andere war so sehr mit ihrer Karriere beschäftigt, dass da kein Platz war für Windeln und gulli-gulli.
Ich würde keiner Patientin den Wunsch verwehren, das nicht. Auch würde ich als Arzt den Versuch wagen – wenn die Chancen dafürsprechen. Mein Spezialgebiet ist die sogenannte Reproduktive Vorsorge. Man könnte sagen, ich erfülle Kinderwünsche.
Manchmal geht es um Schadensbegrenzung
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Das klingt romantisch, schaut aber in Wahrheit so aus, dass ich seit zehn Jahren mit Schadensbegrenzung beschäftigt bin. Einmal war ein Paar bei mir in der Sprechstunde, das um jeden Preis ein Kind haben wollte. Ich riet den beiden ab, weil die medizinischen Gegebenheiten nicht optimal waren. Mitten im Gespräch sprangen beide auf und rannten erbost aus meinem Zimmer.
Zauberer bin ich keiner, nur Arzt. Ich kann den Himmel nicht blau färben, wenn Gewitterwolken über einer möglichen Schwangerschaft hängen. Das geht nicht – und alles andere wäre unethisch.
Künstlich befruchtete Babys und die Krux der Eizellen
Das Problem, das niemand gern anspricht, ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer künstlichen Befruchtung, im Fachjargon IVF genannt, In-Vitro-Fertilisation. Oft sind Kinder, die auf diese Weise auf die Welt kamen, anfälliger für Krankheiten. Weil dahinter eine Milliarden-Industrie steckt. Mit OP, Nahrungsergänzungsmitteln und Ultraschalluntersuchungen wird das gerne verschwiegen oder zumindest nicht an die große Glocke gehängt. Das liegt nicht daran, dass die Methode zu hinterfragen wäre, sondern schlicht und ergreifend daran, dass die Frau – pardon – zu alt ist. Man könnte sagen: Die Eizellen weisen nicht mehr die wünschenswerte Qualität auf.
In Österreich werden pro Jahr rund 10.000 IVF-Eingriffe gemacht, man nennt das Kinderwunschzyklen. Die Behandlung kostet zwischen 1.000 und 6.000 Euro.
Der Hormonstatus ist die Voraussetzung
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Auch wir machen das in unserem Ärztezentrum, rund 1.500 Kinderwunschzyklen im Jahr. Aber all das steht und fällt mit der richtigen Vorsorgetherapie und wird in Zukunft massiv davon bestimmt werden.
Wir ermitteln den exakten Hormonstatus der Frau. Das ist die Voraussetzung. Erst durch die Analyse ergibt sich eine Momentaufnahme, wie es hormonell um die Betroffene bestellt ist.
Entscheidend sind die Werte FSH und AMH, das Miteinbeziehen des Alters und allfälliger Symptome, die den Wechsel in der sogenannten Prämenopause ankündigen. In dieser Phase flüstert die Natur noch: Honey, bereite dich vor, dass dein Leben bald anders sein wird.
Der Trick: Eizellen einfrieren oder stetes Monitoring
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Was die wenigsten Frauen wissen: Man kann die Fruchtbarkeit erhalten, indem man die Eizellen einfriert. Sie werden konserviert für später. Es ist, als würde man den Kinderwunsch in eine ziemlich kalte Zeitkapsel stecken. Durchaus sinnvoll. Auf diese Art werden die jungen und gesunden Eizellen erhalten und aufgehoben. Alternativ dazu bietet sich ein regelmäßiges Monitoring der Fruchtbarkeit an.
Hier sehen wir den nächsten Fehler in unserem Gesundheitssystem:
- Einer 39-jährigen Frau, die ein Kind durch künstliche Befruchtung bekommen möchte, werden in Österreich von der Krankenkasse vier IVF-Versuche bezahlt.
- Wenn hingegen eine 25-jährige Frau in einem sogenannten Freezing-Verfahren ihre Eizellen für einige Jahre in einen Kryo-Schlaf versetzen möchte, damit sie später aktive Zellen hat, muss sie dafür selbst tief in die Tasche greifen.
Dieses Missverhältnis ist ungerecht, zumal viele Frauen mit 25 noch keinen Traumprinzen gefunden haben, der sich auch als Papa ihres Kindes eignet. Tinder geht g’schwinder.
Immer mehr Frauen wollen erst später schwanger werden
Und heute wollen Frauen später schwanger werden. Männer haben es leichter. Sie produzieren Samenzellen bis zum Schluss, nehmen sie quasi mit ins Grab. Bei der Frau setzt die Natur eine Schranke und zieht irgendwann den hormonellen Stecker. Ich weiß, das ist ungerecht, aber diese Biologie habe ich mir nicht ausgedacht.
Der späte Kinderwunsch ist zu erfüllen, keine Frage. Es braucht eine gut durchdachte Strategie, die folgende Schritte vorsieht:
- Vorgespräch
- Erhebung des Hormonstatus
- Check des generellen Gesundheitszustands
- Informationsgespräch über die Möglichkeiten einer Schwangerschaft
- Natürlich oder künstlich – was ist besser?
- Erstellen der prozentuellen Erfolgschance
- Entscheidung der Patientin
Die Frau muss der Wahrheit ins Gesicht blicken
Manchmal, das muss ich ergänzen, ist es wichtig, einer Frau die Wahrheit klar und deutlich ins Gesicht zu sagen. Angenommen, die Chance, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, beträgt sieben Prozent, dann hört die Frau nur sieben Prozent und gut. Ich sage dann, wissen Sie, das bedeutet eines: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sache schief geht, liegt bei 93 Prozent. Wollen Sie das? Erst dann werden die Patientinnen nachdenklich.
Also essenziell ist die Aufklärung, das Gespräch, das Eingehen auf den Wunsch. Im Idealfall ist er von Erfolg gekrönt, und aus dem Dialog ergibt sich ein Baby. Ich wünsche es jeder Frau, die das will.
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