Viele Menschen denken, wer lange zusammen ist, dem wird dann mal fad im Bett. So lautet zumindest der Mythos. Und ganz viele denken auch, dass es dann aufhört – mit den Wechseljahren oder wenn er Erektionsprobleme hat. Auch ein Mythos, aber mit einem Körnchen Wahrheit: Unsere Sexualität verändert sich, so wie unsere Körper und Bedürfnisse auch.
Muss der Sex aufhören?
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Aus meiner Erfahrung sage ich: Wie es mit dem Sex weitergeht, ist vor allem eine Frage der Entscheidung beider Beziehungspartner für eine lustvolle Beziehung, von Verständnis für Veränderung und wohltuender Selbstfürsorge. Ja klar, natürlich sollte es auch eine stabile Basis geben, die die Beziehung trägt. Eine gute Balance von Sicherheit, Vertrauen, Verbundenheit und Freiräumen, Autonomie und freudigem Miteinander. Im Laufe der Jahre haben sich oft Verletzungen angesammelt, die sich in einer Paar-Therapie oder Beratung noch einmal wahrnehmen und verabschieden lassen. Am Groll festhalten tut niemals gut.
Bitte einmal Sex wie damals
Viele Menschen träumen von damals, als der Sex quasi immer wie von selbst funktionierte. Ach, wie schön wäre es (und wie unendlich langweilig bzw. unbefriedigend könnte dies sein ...), wenn wir wüssten, was wir in der Sexualität wollen – und sich das dann immer wie von selbst wiederholt. Der Traum von sich lustvoll wandelnder Sexualität, die von selbst geschieht, braucht oft klare, mutige Worte und Handlungen. Warum nicht beispielsweise jetzt?
Wenn die Sexualität in die Wechseljahre kommt ...
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... sind nicht nur unsere Körper, sondern wir als ganze Menschen, mit all unseren Bedürfnissen, betroffen. Selbst wenn nicht alles wie früher läuft, gibt es viele neue Aspekte zu entdecken. Für viele Frauen beginnt entspannte Sexualität erst mit oder nach den Wechseljahren, wenn weder Verhütung noch Angst vor ungewollter Schwangerschaft ständige Begleiter sind. Unangenehme Veränderungen – etwa Gelenksschmerzen oder Scheidentrockenheit – kann fachärztliche Beratung oft lindern.
Manche Frauen sagen auch, durch Pillen, die die Erektion des Mannes möglich machen, bekommen sie nur mehr von Demselben. Von Demselben, dass sie auch früher nicht rundum glücklich gemacht hat: ein oft zu rasches, zielorientiertes Vorspiel und dann Geschlechtsverkehr. Der Sex endet, wenn er gekommen ist.
Da geht eindeutig noch mehr. Aus meinen Erfahrungen und Umfragen weiß ich: Viele sehnen sich in der Sexualität nach Nähe, Intimität, Hingabe, vertrauensvollen Berührungen. Männer und Frauen gleichermaßen, in jedem Alter – und genau diese nährenden Elemente sind oft in der Hitze des jugendlichen Hormonrausches weniger selbstverständlich und dürfen mit der Zeit wachsen.
Ein Leben lang Sex
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Denn wir sind ein ganzes Leben lang sexuelle Wesen – vom Mutterleib bis zum letzten Atemzug. Allein diese Zeitspanne macht klar: Das, was wir schon als Ungeborene als prickelndes Körperwohlgefühl erlebten, hat mit dem, was wir etwa aus einschlägigen Filmchen an orgiastischen Höchstleistungen im Kopf haben, oder mit Zärtlichkeiten oder Fetischen, bis hin zu Erotik und Sinnlichkeit, wenig zu tun.
Aus eigener Erfahrung kann ich über sexuelle Bedürfnisse im hohen Alter noch nichts erzählen. Allerdings erlebe ich es immer wieder, dass auch eine Frau weit über 70 nochmal von vorne beginnt, weil sie sich verliebt. Und es kann durchaus vorkommen, dass diese Frau sagt, sie erlebe jetzt den besten Sex ihres Lebens, inklusive Orgasmen. Unsere Körper lernen ein Leben lang.
Körperliche Veränderungen sind selbstverständlich
Durch die Wechseljahre erleben viele Frauen grundlegende Veränderungen ihres Körpers. Die Form verändert sich ein bisschen, die Haut wird weniger elastisch und auch trockener, auch die der Schleimhäute und der Vagina. Ich möchte hier keinen Artikel über die Probleme der Wechseljahre schreiben, diese gesamte wertvolle Plattform widmet sich Themen dieser Jahre.
Ich erlebe in meinen Kursen und Beratungen immer wieder, dass es Frauen gibt, die jetzt endlich den Mut haben, sich voll und ganz als sexuelle Frau zu erleben. Bis hin zu Frauen, die nie wirklich Erfüllung gefunden hatten und recht froh sind, wenn er nicht mehr steht und das Thema endlich vorüber ist. Sie kommen, wenn sich dann doch eine Sehnsucht nach mehr in ihnen regt.
Klar, auch Männer kommen in den Wechsel
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So, wie wir in der Pubertät Jahre der hormonellen Umstellung durchlebt haben, erleben wir auch Jahre, in denen sich der Körper hormonell wieder umstellt, der Fokus nicht mehr auf der Fortpflanzung liegt. Durch diverse andere körperliche Veränderungen und Medikamente können sich ungeliebte Nebenwirkungen ergeben.
Was zu wissen wichtig ist
Es gibt mittlerweile für Frauen und Männer sanfte Unterstützung, ob durch gezieltes Beckenbodentraining, gute Sexualberatung, bioidente Hormone, Lust-Bonbons aus der Apotheke oder andere Hilfsmittelchen. Hier gibt es immer mehr speziell geschulte Gynäkolog:innen, Urolog:innen oder auch TCM-Expert:innen und viele andere, die sich spezialisiert haben. Rezepte schreiben kann rasch jemand, Verständnis und echte Hilfestellung sind hier gefragt! Es passt nicht für jeden das Gleiche, um wirklich nachhaltig zu mehr Lebensqualität und freudigem Körpergefühl zu kommen.
Eine hilfreiche Frage kann sein: Mit welchen Veränderungen des Körpers kann ich gut leben? Was ist für mich ein eindeutiger Verlust in der Lebensqualität und was möchte ich wieder verbessern?
Was alles ist gute Sexualität für mich?
In vielen Köpfen ist Sex immer noch zwingend bzw. hauptsächlich mit Geschlechtsverkehr verbunden. Doch Sex kann viel mehr. Sexualität ist ein Grundbedürfnis, das gesunder und wohltuender Bestandteil des Lebens ist, aber vor allem ein lustvolles Erlebnis, das mit allen Sinnen, freudig, neugierig und entspannt genossen werden kann. Vom tiefen Augenblick bis hin zu Zärtlichkeit, verführerischen Worten, gemeinsamen Fantasien oder Berührungen und vieles mehr.
Viele Paare erzählen, sie haben sich selbst und einander mit den Jahren auch erotisch völlig neu entdeckt. Oft wird, wenn vieles draußen weniger wird, die Kinder selbständig leben, die Karriereleiter erklommen ist und sich der Fokus verschiebt, die Zeit in der Partnerschaft wieder zweisamer und inniger.
Ich bin normal, ich bin in Ordnung
Sexualität ist ganz unterschiedlich und alles darf sein, solange niemand zu Schaden kommt oder unfreiwillig etwas tun muss. Ob Frau mit 68 ihren ersten Orgasmus erlebt oder nur (noch) wenig Lust auf Geschlechtsverkehr hat, ist ganz individuell. Viele Männer ziehen sich zurück, wenn sie nicht gelernt haben, über ihre Bedürfnisse zu sprechen und der Penis nicht mehr einfach so mitmacht. Das Bedürfnis nach Berührungen und Zärtlichkeiten ist ein Grundbedürfnis, auch wenn manche Menschen weniger davon wollen.
Unterstützung suchen und gut auf sich selbst achten
Wie schon oben erwähnt: Viele Wechselbeschwerden oder klassische Altersbeschwerden kommen durch Hormonumstellungen, für die es mittlerweile vielerlei Möglichkeiten des Ausgleichs gibt. Für Männer und für Frauen.
Ja, wir verändern uns, es braucht oft mehr Geduld oder Aufwand, um körperlich und geistig fit zu bleiben. Oft nehmen wir Veränderungen beim anderen rascher wahr als bei uns selbst. Sie entscheiden, ob Sie leiden oder lieben wollen.
Gut in Kommunikation bleiben
Wem es gut gelingt, in der Partnerschaft Wünsche zu äußern (statt Vorwürfe), die vom anderen gehört werden, dem gelingt es ganz oft auch, über sensiblere Themen wie Sehnsüchte, Träume und Sexualität zu sprechen. Finden Sie immer wieder bewusste Zeiten, in denen Sie es sich als Paar richtig gut gehen lassen.
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