Fast jede Frau im Wechsel stellt sich irgendwann die Frage: Soll ich Hormone nehmen oder lass ich's lieber? Vor allem die Angst vor den Nebenwirkungen lässt viele zögern. Grund dafür ist auch eine Studie der Women's Health Initiative, die zwar bereits im Jahr 2000 beendet wurde, deren Daten aber jahrelang falsch interpretiert und wiedergegeben wurden.
Die Studie wurde an 828.923 postmenopausalen Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren durchgeführt, die zu irgendeinem Zeitpunkt Hormone eingenommen hatten. Viele Jahre später gibt es jetzt neue Langzeitanalysen, die aufhorchen lassen. Wir haben den Hormonspezialisten und MenoDay Keynote-Speaker Prof. DDr. Johannes Huber gefragt, was die neuen Erkenntnisse für Frauen bedeuten.
Es gibt neue Daten zur viel zitierten WHI-Studie – was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
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Prof. Huber: Der Teil der Womens Health Initiative Study wurde 2003 beendet, aber die Daten aller Frauen, die an der Studie teilgenommen hatten, wurden noch 18 weitere Jahre nach Beendigung erfasst. Das ist einzigartig und eine großartige Sache. Denn so konnte man eine neue Langzeitauswertung machen: Wie viele Frauen haben Brustkrebs bekommen, wie viele nicht, wie viele sind gestorben, wie viele leben noch?
Es gab in der Studie zwei Gruppen: eine, die Östrogen bekam, und eine andere, die nur Placebos bekam. In dieser neuen Auswertung hat man gesehen: Bei Frauen, die nur Östrogen bekamen, war die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken signifikant niedriger als in der Placebo Gruppe. Die Daten zeigen auch: In der Placebogruppe sind viele Frauen bereits verstorben, wobei in der Östrogengruppe viele noch leben.
Im Gegensatz zu anderen Studien-Armen hat man bei diesem Zweig der Studie das künstliche Progesteron weggelassen. Wurde es dazu genommen, ist die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs leicht erhöht. Die Lebenserwartung hat sich aber nicht geändert. Das Problem, das viele aus der Studie zitiert haben, war also das künstliche Gestagen, nicht das Östrogen.
Bedeutet das, dass das Östrogen zu Unrecht in Verruf geraten ist?
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Prof. Huber: Ja, völlig zu Unrecht. Aber man muss bei der Hormonersatztherapie natürlich immer das Window of Opportunity nutzen. Es beschreibt die Zeitspanne 10 Jahre nach der letzten Regelblutung. Meist liegt dieses Zeitfenster noch vor dem 60. Lebensjahr. Genau dann beginnen bei den meisten Frauen auch die ersten Wechselbeschwerden, die vielleicht anfangs nicht als solche erkannt werden. Wenn man dieses Fenster verpasst, können Beschwerden ernsthafte körperliche Folgen nach sich ziehen.
In Amerika wurde Östrogen oft sogar 75jährigen Frauen gegeben, um ihre Jugendlichkeit zu erhalten – das geht natürlich nicht. Man muss diese 10 Jahre nutzen, wenn man im Alter erst beginnt sind die Hormonrezeptoren im Körper nicht mehr aktiv, und es kommt zu Nebenwirkungen.
Wie findet man die richtige Dosis?
Prof. Huber: Man darf auf keinen Fall blind Hormone geben. Jeder Frau Hormone zu verschreiben ist nicht die Lösung. Der erste Schritt ist immer ein Gespräch mit der Frau und die Frage, ob sie überhaupt Beschwerden hat. Und auch wenn, sollte sie sie nur so lange nehme wie nötig. Das ist bei anderen Hormonen wie beim Insulin auch so. Als man damit begonnen hat, kam der Dickdarmkrebs signifikant öfter vor. Dann hat man gelernt es zu dosieren, und heute ist die Therapie gut eingestellt und gehört zum Standard. Ähnlich ist es mit dem Östrogen auch.
Manche Frauen haben Angst vor Hormonen, weil sie erblich vorbelastet sind, also Brustkrebs in der Familie vorkommt
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Prof. Huber: Vor allem sollte man keiner Frau etwas einreden. Wenn sie Angst hat, muss man das respektieren und versuchen, mit Lifestyle oder pflanzlichen Produkten zu helfen. Überreden soll man Frauen nicht. Grundsätzlich sollte keine Frau leiden müssen.
Wichtig ist aber, Frauen auch über die Nachteile aufzuklären, die entstehen, wenn man nichts nimmt. Die können von Gedächtnisstörungen über zu hohen Blutdruck und einen erhöhten Insulinspiegel bis hin zu Herzrhythmusstörungen reichen.
Außerdem muss man bedenken: Mit der Lebensmitte hat jeder Mensch ein erhöhtes Krebsrisiko. Männer und Frauen. Und wenn dann etwas auftritt wie Brustkrebs, selbst wenn es überhaupt nicht mit der Hormongabe zusammenhängt, sagt jeder gleich das waren die Hormone. Der Mensch sucht immer nach Erklärungen, auch, wenn diese keine sind.
Gibt es eine Faustregel, wie lange man Hormone nehmen soll?
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Prof. Huber: Man fragt dafür den besten Arzt, und das ist der eigene Körper. Bei Hormongaben macht man immer wieder Pause, und wenn es der Frau in der Pause ohne Hormone gut geht, ist sehr wahrscheinlich der Zeitpunkt gekommen, wo sich die Rezeptoren im Körper verabschiedet haben und dann braucht man sie auch nicht mehr.
Info: Am 15. Oktober hält Prof. DDr. Johannes Huber im Rahmen des Wechselweise Menoday den Eröffnungsvortrag und spricht mit anderen hochkarätigen Vortragenden über Chancen und Risiken von Hormonersatztherapien in den Wechseljahren. Ticktes zum Event gibt es hier (Link auf www.wechselweise.net/menoday.
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