Wie alt kann ein Mensch werden? Welche Rolle spielen die Gene? Wie komme ich möglichst fit ins Alter? Wie kann ich mich auch in der Menopause jung und gesund halten? All diese Fragen beantwortet der Mikrobiologe und Buchautor Slaven Stekovic in seinem neuen Buch Jung bleiben, alt werden – Neue Erkenntnisse aus der Langlebigkeitsforschung und im Interview mit wechselweise.
Wir werden immer älter – was ist die große Herausforderung in der Langlebigkeitsforschung?
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Slaven Stekovic: Die große Frage ist nicht, wie alt wir werden, sondern wie wir gesund alt werden. Wir sehen, dass gewisse Erkrankungen zunehmen. In erster Linie betreffen diese das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel. Wiederum können wir heute besser, früher und effizienter diagnostizieren. Krankheiten, die vor 50 bis 60 Jahren der sichere Tod waren, können heute gemanagt werden. In der Langlebigkeitsforschung geht es daher vor allem um die Verlängerung der gesunden Lebensspanne.
Wie alt kann ein Mensch heute werden – und morgen?
Slaven Stekovic: Die maximale biologische Lebensspanne der Menschen liegt nach wie vor bei 120 bis 130 Jahren. Das zu übertreffen, ist in den nächsten hundert Jahren schwer möglich. In Österreich liegt die mittlere Lebenserwartung heute bei 82 Jahren (Männer) bis 84 Jahren (Frauen). 2050 könnte die mittlere Lebenserwartung schon bei 90 Jahren liegen. Doch dafür müssen wichtige Schritte gesetzt werden. Diese sind sozialpolitischer Natur – etwa wie wir arbeiten und leben–, und auch gesundheitspolitischer Natur – wie die medizinische Versorgung aussieht. Nicht zuletzt ist auch wichtig, was das einzelne Individuum für seine Gesundheit tut.
Welche Rolle spielen die Gene für die Lebenserwartung und die Gesundheit?
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Slaven Stekovic: Die Forschung zeigt, dass die Genetik nur etwa 10 Prozent ausmacht. Demnach ist der Lebensstil für rund 90 Prozent verantwortlich. Das ist eine erfreuliche Nachricht. Denn das bedeutet, dass ich selbst mit meinem Lebensstil viel dazu beitragen kann, um gesund alt zu werden.
Wie sieht ein optimaler Lebensstil aus?
Slaven Stekovic: Er besteht aus verschiedenen Komponenten, die unsere tagtäglichen Entscheidungen abbilden.
- Die Ernährungsgewohnheiten: Wir essen zu viele Fertigprodukte und hochprozessierte Lebensmittel, zu viel Salz, zu viele schlechte Fette und generell zu viel. Gleichzeitig nehmen wir zu wenige Nährstoffe zu uns, zu wenige Vitamine und Proteine. Dabei könnten wir nahezu alles, was unser Körper braucht, durch unsere Nahrung aufnehmen. Gezeigt hat sich, dass die mediterrane und die ketogene Diät von Vorteil sind. Die ketogene Diät besteht hauptsächlich aus Fett und Eiweiß, aber wenig Kohlehydraten. Der Körper gewinnt seine Energie dabei nicht überwiegend aus Zucker, sondern aus Fetten. Es werden sogenannte Ketonkörper freigesetzt, die den Organismus mit Energie versorgen.
- Die Bewegungsgewohnheiten: Wir müssen uns um unsere Muskeln kümmern. Je mehr wir in jungen Jahren in gesundem Maß aufbauen, umso länger halten sie uns fit und aufrecht. Unsere Muskeln werden nämlich bereits ab Mitte 30 abgebaut. Bewegung dient zudem als Vorbeugung für verschiedenste Erkrankungen wie Demenz oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neueste Daten aus den USA zeigen, dass Frauen deutlich weniger Sport brauchen, um dieselben Gesundheitseffekte wie Männer zu erzielen.
Bei Männern führen 300 Minuten sportliche Aktivität pro Woche zu einer Senkung der Mortalität um 18 Prozent.
Bei Frauen sieht man denselben Effekt schon bei 140 Minuten pro Woche. Die Frage ist, ob einem persönlich 18 Prozent genug sind, oder man mehr möchte.
- Die Schlafgewohnheiten: Der Wechsel zwischen Schlaf und Wachsein ist für die Langlebigkeit von großer Bedeutung. Unsere innere Uhr ist danach ausgerichtet. Sie bestimmt Stoffwechselprozesse, die Hormonausschüttung, steuert die Nahrungsaufnahme und ist für viele weitere Vorgänge im Körper verantwortlich. Im Schlaf regenerieren wir uns von den Strapazen des Tages, denen unsere Zellen ausgesetzt sind. Dabei brauchen Frauen mit acht bis neun Stunden mehr Schlaf als Männer mit sieben bis acht Stunden.
- Das Fasten: Fasten hat einen positiven Effekt auf unseren Organismus. Rund 80 Prozent unserer Immunzellen sind im Darm beheimatet. Während ein voller Darm immer etwas zu bearbeiten hat, wirkt ein leerer auch beruhigend auf das Immunsystem. Beim Fasten ändert sich die Bakterienzusammensetzung im Darm und das Immunsystem muss nicht mehr in höchster Alarmbereitschaft sein. Ein weiterer Effekt ist die Autophagie. Dabei recyceln sich unsere Zellen gewissermaßen selbst.
- Die Psyche: Studien haben gezeigt, dass das Eingebettetsein in ein soziales Umfeld neben allen körperlichen und biologischen Faktoren ein wichtiger Punkt ist. Je mehr Sozialkontakte ein Mensch hat, desto besser ist die Vernetzung der Zellen innerhalb der Amygdala. Dieser Teil des Gehirns ist einerseits für das Lernen und Erinnern zuständig, andererseits ist es unser Angstzentrum. Eine gut ausgebildete Amygdala sorgt dafür, dass wir gut mit Angst umgehen können und hilft dabei, soziale Kontakte pflegen zu können. Wenn wir in ein soziales System eingebunden sind, kann der Körper auch mit manchen Krankheiten besser umgehen. Ebenso wirkt sich Meditation positiv auf verschiedene Teile unseres Gehirns inklusive die Amygdala aus.
Es zeigt sich: Wenn wir auf unseren Lebensstil aufpassen und auch nicht die beste Genetik haben, können wir alt werden und dabei gesund bleiben.
Gelten für Frauen in den Wechseljahren andere Regeln?
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Slaven Stekovic: Aus der Altersforschung wissen wir, dass Frauen grundsätzlich länger leben. Dafür sind verschiedene biologische Prozesse, die auch hormoneller Natur sind, verantwortlich sowie der gesündere Lebensstil, den Frauen schon in jungen Jahren pflegen. Sie ernähren sich gesünder, trinken weniger Alkohol, sind eher motiviert, Sport zu treiben, und nützen die medizinische Vorsorge mehr als Männer. Manche dieser gesundheitlichen Vorteile gegenüber Männern ändern sich allerdings mit der Hormonumstellung in den Wechseljahren. Und immer mehr Frauen erleben das Alter nach der Menopause. In dieser Zeit steigt nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, sondern auch für Erkrankungen des Bewegungsapparats – vor allem der Knochen und Gelenke. Deshalb sollten Frauen darauf achten, dass sie vor allem
- Sport betreiben, um Muskelmasse zu erhalten und die Knochen zu stärken
- mehr Eiweiße zu sich nehmen, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken
- vermehrt Bewegung sowie gezielte Ernährung mit mehr ungesättigten Fettsäuren (Olivenöl, Fisch, ?), um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu minimieren
- Antioxidantien aus Obst und Gemüse einnehmen, um Entzündungsprozesse im Körper zu reduzieren
Gibt es eine Lebensphase, die besonders entscheidend ist, ob ein Mensch lange lebt?
Slaven Stekovic: Nicht wirklich. In jeder Lebensphase können wir etwas falsch und richtig machen. Man kann nie zu spät beginnen und nie zu früh. Wichtig ist, dass die Interventionen am Lebensstil an unsere Fähigkeiten angepasst sein sollen. Eine 75-jährige Frau wird anders trainieren als eine 32-Jährige. Nach der Menopause gilt es besonders, auch beim Training mehr auf das Herz, die Muskeln, die Gefäße und auch die Lungenkapazität zu achten.
Was sind die wesentlichsten Bausteine für ein langes, gesundes Leben?
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- Adäquates körperliches Training
- Gesunde Ernährung
- Gesunder Schlaf
- Reiches und gepflegtes Sozialleben
Das sind allgemeine Empfehlungen. Geht es auch personalisierter?
Slaven Stekovic: Wir wissen, dass die Langlebigkeit sehr individuell ist – genauso wie die Altersprozesse an sich. Darauf muss Rücksicht genommen werden. Die Langlebigkeitsforschung ist erst auf dem Weg hin zu Präzision und Personalisierung. Denn jeder Körper spricht anders auf Therapien an und jeder Körper hat andere Sollbruchstellen. Das können Organe sein oder auch Prozesse, die – basierend auf der Genetik, der persönlichen Vergangenheit und dem Lebensstil – mit der Zeit Schwächen zeigen, wenn wir in Stresssituationen geraten. Manches auszuwerten und zu berücksichtigen, ist schon heute möglich. Es für alle Menschen einsetzen zu können, ist allerdings ein Kostenthema.
Warum beschäftigen Sie sich gerade mit der Langlebigkeit?
Slaven Stekovic: Da wird einem nie langweilig, weil es immer Neues zu entdecken gibt, und man sieht die Welt plötzlich mit anderen Augen. In meiner Familie werden die Frauen im Gegensatz zu den Männern extrem alt. Diese Tatsache hat schon als kleines Kind die Neugierde in mir geweckt.
Wie alt will Slaven Stekovic werden?
Slaven Stekovic: Auf alle Fälle über 100 Jahre. 130 wäre so richtig cool. Doch wenn ich mir überlege, was ich alles machen müsste, würden 115 Jahre durchaus genügen.
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