85 % der Frauen leiden unter Wechseljahresbeschwerden. Die Hormonersatztherapie gilt als die wirksamste aller Behandlungen. Doch was hält Frauen davon ab, mit einer Hormonersatztherapie zu beginnen, oder veranlasst sie, eine solche vorzeitig abzubrechen? Zum einen ist da die berechtigte Angst vor dem geringgradig erhöhten Brustkrebsrisiko. Zum anderen ist die Meinung weit verbreitet, dass eine Hormonersatztherapie zu einer Gewichtszunahme führt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ergebnisse aus klinischen Studien und epidemiologischen Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Hormontherapie viel mehr zu einer leichten Reduktion der altersbedingten Gewichtszunahme führt.
Wie bleibt unser Köpergewicht stabil?
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Die Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung eines stabilen Körpergewichts ist das Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch.
- Mit Energiezufuhr ist auf die Aufnahme von Energie aus Makronährstoffen wie Kohlenhydraten, Eiweißen, Fetten und Alkohol gemeint.
- Der Begriff Energieverbrauch ist wesentlich komplexer und setzt sich aus mehreren verschiedenen Komponenten zusammen. Die wichtigsten davon sind der Ruheenergieverbrauch, der bis zu 60-80 % des Gesamtenergieverbrauchs ausmacht, und der Energieverbrauch durch körperliche Aktivität (Bewegung), der durchschnittlich 25-35 % des Gesamtenergieverbrauchs ausmacht.
Was also hat eine Hormonersatztherapie mit dem Energiehaushalt zu tun?
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Energieverbrauch durch körperliche Aktivität: Nun, es gibt hervorragende Daten aus Tierstudien, die zeigen, dass das Hervorrufen einer künstlichen Menopause durch eine operative Eierstockentfernung zu einer drastischen Verringerung der körperlichen Aktivität und folglich des Energieverbrauchs führt. Dies kann durch eine Östrogenbehandlung vollständig rückgängig gemacht wird. Die Auswirkungen von Östrogenen auf den Energieverbrauch durch körperliche Aktivität beim Menschen sind vergleichsweise weniger gut erforscht, gehen aber in die gleiche Richtung.
Energiezufuhr: Man könnte meinen, dass man, wenn man sich unter dem Einfluss von Östrogenen mehr bewegt, man dies durch ein vermehrtes Hungergefühl und eine somit gesteigerte Kalorienzufuhr ausgleichen würde. Klinische Studien an prämenopausalen Frauen haben jedoch gezeigt, dass die tägliche Energiezufuhr rund um den Eisprung, wenn also die Östrogenspiegel am höchsten sind, deutlich geringer ist als in den Zyklusphasen davor und danach. Östrogenen reduzieren also unser Hungergefühl. Sie sind sogenannte Anorexigene.
Ruheenergieverbrauch: Wie steht es aber mit der Wirkung von Östrogenen auf den Ruheenergieverbrauch? Unter dem Begriff Ruheenergieverbrauch versteht man all jene Energie, die zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen wie der Atmung, des Herz-Kreislauf-System etc. gebraucht wird. Diese Energie stammt aus dem Abbau von aufgenommenen Kohlenhydraten, Eiweißen, Fetten. Es gibt einen außergewöhnlichen Zelltyp im menschlichen Körper, der die einzigartige Fähigkeit besitzt, den Ruheenergieverbrauch durch Wärmeproduktion zu erhöhen – das ist das braune Fettgewebe.
Braunes Fett und Östrogen als Chance im Wechsel
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Lange Zeit ging man davon aus, dass nur Säuglinge über braunes Fett verfügen. Dann, vor etwa 40 Jahren, entdeckte die Wissenschaft, dass braunes Fettgewebe auch bei Erwachsenen in erheblichem Umfang vorhanden ist – bei Frauen deutlich mehr als bei Männern. Zahlreiche Daten zeigen, dass das Volumen und die Aktivität des braunen Fettgewebes mit einem erhöhten Ruheenergieverbrauch, einem niedrigeren BMI und einem optimierten Zucker- und Fettstoffwechsel zusammenhängen. Aber wo ist der Einschaltknopf?
Der physiologische Anreiz zur Aktivierung des braunen Fettgewebes ist Kälte. Wie sich gezeigt hat, ist es leider unrealistisch sich mit dem Ziel einer nachhaltigen Gewichtsabnahme längere Zeit der Kälte auszusetzen. Kaum eine Person wird dies dauerhaft freiwillig machen. Genauso wenig erfolgreich ist der Vorsatz einer langfristigen Reduktion der Energiezufuhr durch eine Kalorienreduktion. Auch eine gesteigerte körperliche Aktivität durch z.B. mehr Sport zur Steigerung des Gesamtenergieverbrauchs, ist bei den meisten Menschen auf Dauer nicht umsetzbar.
Aus diesem Grund hat sich die jüngste Forschung auf die Möglichkeit konzentriert, eine negative Energiebilanz durch eine Erhöhung des Ruheenergieverbrauchs zu erreichen. Dies soll durch die Aktivierung des braunen Fettgewebes erreicht werden. Tierstudien haben bereits reichlich Beweise dafür geliefert, dass unter anderem Östrogene die Fähigkeit besitzen das braune Fettgewebe und zu aktivieren und auf diesem Wege den Ruheenergieverbrauch zu steigern. Schätzungen am Menschen beziffern den Umfang der Aktivität des braunen Fettgewebes auf 7 kcal – 200 kcal pro Tag. Zum besseren Verständnis: In einem Kilogramm Fettgewebe sind ca. 9000 kcal Energie gespeichert. Wenn wir es schaffen langfristig bei gleicher Kalorienzufuhr täglich nur 25kcal mehr zu verbrauchen, dann resultiert eine Gewichtsabnahme von 1kg Körpergewicht pro Jahr. (25 x 365 : 900 = 1)
Fazit
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Hormonersatztherapie, entgegen der landläufigen Meinung der altersbedingten Tendenz zur Gewichtszunahme entgegenzuwirken scheint. Die zugrundeliegenden Mechanismen, die alle zu einer negativen Energiebilanz führen, umfassen eine Verringerung der Energieaufnahme, eine Erhöhung des Energieverbrauchs durch körperliche Aktivität und nicht zuletzt eine potenzielle Erhöhung des Ruheenergieverbrauchs infolge einer Aktivierung des braunen Fettgewebes.
Die weit verbreitete Befürchtung, dass eine Hormonersatztherapie zu einer Gewichtszunahme führt, ist also absolut unbegründet!
Weiterführende Studien:
Espeland MA, Stefanick ML, Kritz-Silverstein D, et al. Effect of postmenopausal hormone therapy on body weight and waist and hip girths. Postmenopausal Estrogen-Progestin Interventions Study Investigators. J Clin Endocrinol Metab 1997;82(5):1549-56, doi:10.1210/jcem.82.5.3925
Jensen LB, Vestergaard P, Hermann AP, et al. Hormone replacement therapy dissociates fat mass and bone mass, and tends to reduce weight gain in early postmenopausal women: a randomized controlled 5-year clinical trial of the Danish Osteoporosis Prevention Study. J Bone Miner Res 2003;18(2):333-42, doi:10.1359/jbmr.2003.18.2.333
Melanson EL, Lyden K, Gibbons E, et al. Influence of Estradiol Status on Physical Activity in Premenopausal Women. Med Sci Sports Exerc 2018;50(8):1704-1709, doi:10.1249/MSS.0000000000001598
Vigil P, Melendez J, Petkovic G, et al. The importance of estradiol for body weight regulation in women. Front Endocrinol (Lausanne) 2022;13(951186, doi:10.3389/fendo.2022.951186
Weidlinger S, Winterberger K, Pape J, et al. Impact of estrogens on resting energy expenditure: A systematic review. Obes Rev 2023;24(10):e13605, doi:10.1111/obr.13605
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