Fast jede von uns kennt das: Vor wichtigen Ereignissen oder in stressigen Zeiten bekommt man Bauchweh, der Bauch fängt an zu grummeln und die Verdauung spielt verrückt. Und mittlerweile weiß man auch, wieso. Es gibt eine Verbindung zwischen Darm und Hirn, die ganz entscheidend für unsere mentale Gesundheit ist: den Vagusnerv. Er hat seinen Ursprung im Hirn und schlängelt sich im Inneren des Halses bis zum Brustkorb hinab. Danach begleitet der Vagusnerv die Speiseröhre und teilt sich anschließend in viele kleine Äste auf, die zum Magen und den Därmen führen. Er verbindet also Hirn und Darm.
Kann man also, wenn man den Darm richtig füttert, im Gegenzug die Psyche stärken? Das haben wir Dr. Maximilian Schubert, den Ärztlichen Leiter des MAYRLIFE Medical Health Resort Altaussee gefragt:
Es heißt, unser Wohlbefinden sitzt im Darm. Warum?
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Dr. Schubert: Das Immunsystem sitzt zu gut zwei Dritteln im Mikrobiom des Darms. Der Darm wird in Summe etwa sieben Meter lang und ist damit das größte innere Organ des Menschen. Würde man die gesamte Darmschleimhaut ausbreiten, würde das eine Fläche von 300 bis 500 Quadratmeter ergeben.
Damit stellt die Darmschleimhaut die größte Grenzfläche des Körpers dar. Darüber hinaus ist der Darm von etwa 100 Billionen Bakterienzellen besiedelt, die wiederum sehr verschieden sind. Im Darm eines Menschen sind zumindest 160 Arten von Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, aber auch Viren) zu finden. Diese Vielfalt verdeutlicht, wie wichtig die Darmflora für unser Immunsystem ist. Je diverser sie zusammengesetzt ist, umso robuster sind wir. Auch unsere mentale Stärke kommt vom Darm.
Wo kommt nun der Vagus-Nerv ins Spiel?
Dr. Schubert: Unser Darm ist über den Nervus Vagus mit dem Gehirn verbunden ist. Er wirkt einerseits an schnellen, intensiven Entscheidungen mit, die buchstäblich ?aus dem Bauch heraus? kommen. Andererseits ist der Nervus Vagus unser Beruhigungsnerv, von dem maßgeblich abhängt, wie gut wir mit Stresssituationen umgehen können. Die Gesundheit des Darms spiegelt sich über den Nerv so in unserer mentalen Stärke wider. Der Vagus Nerv bildet die Darm-Hirnachse.
Kann man seinen Darm gezielt füttern?
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Dr. Schubert: Der Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts ist der Schlüssel zu besserer Verdauung, Entgiftung und somit zu besserer Lebensqualität. Vielfalt und Abwechslung sind gefragt. Eine gesunde Mischkost aus reichlich Gemüse, vollwertigen Kohlehydraten, Eiweiß und hochwertigem Fett sorgen dafür, dass der Organismus alle wichtigen Nährstoffe bekommt, die er baucht. Zucker lässt man am besten ganz weg.
Gibt es Lifestyle-Tipps für einen gesunden Darm?
Dr. Schubert: Bewusste und genussvolle Nahrungsaufnahme sind ebenso wichtig wie das Befolgen konkreter Regeln bei jeder Mahlzeit. Gutes Kauen – die Verdauung beginnt bereits im Mund! – keine Snacks, kein Wasser zu Mahlzeiten, keine Rohkost nach 16.00 Uhr. Das Abendessen sollte die kleinste Mahlzeit sein. Ab und zu Dinner Cancelling ist auch sehr gesund. All dies lässt sich gut im Alltag umsetzen.
Was machten den Darm träge?
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Dr. Schubert: Zu viel, zu schnell und zu spätes Essen machen den Darm träge. Ein Mangel an Ballaststoffen (Vollkornprodukte, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte), Flüssigkeitsmangel, Bewegungsmangel oder Chronischer Stress kann sich negativ auf die Verdauung auswirken. Auch manche Medikamente können zu einer verlangsamten Darmfunktion führen.
Können wir uns glücklich essen?
Dr. Schubert: Ja! Ernährung kann unser Glücksempfinden beeinflussen und einen Beitrag zum allgemeinen Wohlbefinden leisten. Bestimmte Lebensmittel werden als Glücksnahrungsmittel betrachtet, weil sie Nährstoffe enthalten, die sich positiv auf unsere Stimmung und unser Wohlbefinden auswirken können. Sogenanntes Soulfood ist vor allem reich an Tryptophan.
Tryptophan ist eine Aminosäure die in vielen Lebensmitteln vorkommt. Tryptophan kann nicht vom Körper selbst hergestellt werden und muss daher über die Nahrung aufgenommen werden. Lebensmittel die Tryptophan enthalten, sind z.B. Geflügel, Fisch, Eier, Milchprodukte, Nüsse und Samen. Durch den Verzehr dieser Lebensmittel kann der Tryptophanspiegel im Körper erhöht werden. Tryptophan spielt eine wichtige Rolle bei der Produktion von Serotonin im Gehirn. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der eine entspannende und stimmungsaufhellende Wirkung haben kann. Es beeinflusst auch den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Appetit und andere kognitive Funktionen. Wir alle kennen etwa warme Milch mit Zimt und Honig als Schlummertrunk.
Gibt es Nahrungsmittel, die die Stimmung verbessern?
Dr. Schubert: Generell kann eine ausgewogene Ernährung, die reich an Nährstoffen ist, dazu beitragen, dass wir uns glücklicher fühlen. Zum Beispiel trägt eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren, die in fettem Fisch wie Lachs oder in Leinsamen enthalten sind, dazu bei die Stimmung zu verbessern. B-Vitamine, die in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und grünem Blattgemüse vorkommen, können ebenfalls eine positive Wirkung auf die Stimmung haben.
Darüber hinaus spielt auch die Art und Weise, wie wir essen, eine Rolle für unser Glücksempfinden. Wenn wir unsere Mahlzeiten bewusst genießen, uns Zeit nehmen und uns auf den Geschmack und das Erlebnis konzentrieren, kann dies zu einem größeren Glücksgefühl beim Essen führen.
Wie können wir unserem Darm sonst noch Gutes tun?
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Dr. Schubert: Im Alltag kommen die richtige Ernährung, ausreichend Bewegung und Zeit für sich selbst sehr oft zu kurz. Idealerweise entschließt man sich ein- bis zweimal pro Jahr zu einer Kur, um langfristig gesund zu bleiben, sein Immunsystem zu stärken und Entzündungen im Körper zu beseitigen. Durch eine Kur werden die Selbstheilungskräfte des Körpers wieder in Gang gebracht. Im Rahmen der Kur gelingt es auch, sich wieder gute Essgewohnheiten anzugeigen.
Oft kommen Kurgäste erst, wenn Krankheitsbilder festgestellt wurden. Durch eine Kur können verschiedene Krankheitsbilder maßgeblich und langfristig verbessert werden. Dazu gehören Entgiften, Gewichtsregulierung, Wiederherstellung der Beweglichkeit und die Stärkung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit.
Haben Frauen öfter Probleme mit der Darmgesundheit?
Dr. Schubert: Nein. Jeder Mensch ist einzigartig und Probleme können nicht geschlechterspezifisch festgemacht werden. Frauen und Männer sind gleichermaßen von Verdauungsproblemen betroffen. Die Darmgesundheit hängt von der Konstitution, dem Lebensstil und dem Stresslevel ab.
Wie verändert sich unser Darm mit dem Alter?
Dr. Schubert: Die Verdauungsleistung nimmt mit dem Alter ab. Es kommt zu einer Erschöpfung der Enzyme und einer Schwächung der Resorbtionsfähigkeit (d.h. Aufnahme der Nährstoffe). Der Rhythmus (Tag/ Schlafen/ Essenzeiten) wird im Alter immer wichtiger. Bei Frauen haben Hormone und hormonelle Dysbalance Auswirkung auf die Fettverteilung im Körper, die Stimmung sowie die Verdauungsleistung. Aber auch Männer verändern sich in der Andropause! Umso wichtiger ist es, mit zunehmendem Alter mehr auf eine ausgewogene Ernährung zu achten.
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