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Hormone

Cortisol: Diese drei Social Media-Trends sind irreführend und gefährlich

Cortisol-Entgiftung - Cortisol-Face - Cortisol-Selbsttest: Wir erklären, was es mit diesen Trends auf sich hat und enttarnen die drei größten Irrtümer.

Wiederholt lesen wir in diversen Social-Media-Kanälen Begriffe wie „Cortisol-Entgiftung“ oder „Cortisol-Face“ und eine Empfehlung für Cortisol-Selbsttests. Tipps und Tricks folgen obendrein. Wir klären auf, wie es um die Begriffe und Trends steht, welche Aufgabe Cortisol im Körper erfüllt und welche Gefahr hinter diversen Influencer-Empfehlungen steckt. 

Was ist Cortisol? 

Cortisol ist schlichtweg ein lebenswichtiges Hormon. Es ist wie der Motor eines Autos. Ohne ihn gibt es kein Vorankommen. Cortisol wird in den beiden Nebennieren des Menschen nach Stimulation durch ACTH gebildet. Das Hormon ACTH (adrenocorticotropes Hormon) wird wiederum von der Hirnanhangdrüse, der sogenannten Hypophyse, produziert und reguliert die Bildung der Nebennierenhormone. Auf die Bildung und Freisetzung von Cortisol hat es den stärksten Effekt. 

Im menschlichen Organismus hat Cortisol eine Vielzahl an Aufgaben, die vor allem dazu dienen, dem Körper Energie zur Verfügung zu stellen. So wird etwa  

  • die Glucoseproduktion der Leber gefördert,  
  • der Fettstoffwechsel aktiviert und  
  • der Proteinumsatz gefördert 

Zudem ist Cortisol eines der wichtigsten Stresshormone und wird während einer Stresssituation vermehrt ausgeschüttet. 

Cortisol macht leistungsstark und erhöht die Reaktionsfähigkeit 

Diese Mechanismen sind überlebenswichtig. Sie machen den Körper leistungsfähig, um den Alltag bewältigen zu können. In Stresssituationen lässt es den Blutdruck ansteigen und ermöglicht uns eine gesteigerte Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit. Es hat zudem eine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem, weshalb es in der Medizin gerne bei entzündlichen Erkrankungen eingesetzt wird. 

Cortisol unterliegt einer zirkadianen Rhythmik – das heißt, tageszeitlichen Schwankungen 

  • In der Früh ist der Spiegel am höchsten, um uns gut in den Tag starten zu lassen.  
  • Abends sinkt der Spiegel, damit unsere Schlafhormone ihre Aufgabe gut erfüllen und uns eine ruhige Nacht ermöglichen.  
  • Untertags wird es, je nach Stressbelastung – sowohl körperlich als auch psychisch –, unterschiedlich stark ausgeschüttet. Jeder Peak lässt auch wieder nach, denn der Körper reguliert das Auf und Ab von selbst. 

Mythos 1: Das Cortisol-Face geht mit einem erhöhten Cortisol-Spiegel einher

Dem gern zitierten Cortisol-Face wird in den Sozialen Medien große Bedeutung beigemessen. Gerne behaupten Influencer:innen, das Hormon Cortisol sei für viele Symptome im Alltag verantwortlich – eben etwa für ein aufgequollenes Gesicht, Konzentrationsstörungen und Gewichtszunahme. Das ist irreführend. Viele Faktoren, wie altern, ungesunde Ernährung oder Schlafmangel, begünstigt ein runderes Gesicht. Nur in den seltensten Fällen kann dies auf zu viel Cortisol im Körper zurückgeführt werden. 

Anders ist dies beim sogenannten Cushing-Syndrom – einem chronisch erhöhtem Cortisol-Spiegel. Sowohl krankhafte Veränderungen im Bereich der Nebennieren oder der Hypophyse können dazu führen, dass der Körper besonders viel dieses Hormons produziert. Eine sogenannte Stammfettsucht – Fettablagerungen vorwiegend an Oberkörper, Bauch und Hüfte – beziehungsweise ein Vollmondgesicht, Muskelschwäche vor allem in den Beinen oder rötliche Streifen am Körper können auf ein Cushing-Syndrom hindeuten. Am häufigsten entsteht ein Cortisol-Überschuss allerdings als Folge einer systemischen Cortison-Therapie wegen einer entzündlichen Erkrankung. 

Mythos 2: Die Cortisol-Entgiftung bekämpft Müdigkeit und Bauchfett 

Die Cortisol-Entgiftung wird in Sozialen Medien zur Bekämpfung von Müdigkeit, Bauchfett bis hin zur Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit beworben. Ziel dabei ist, den Cortisolspiegel auf natürlichem Weg zu senken. „Der Trend ist sehr gefährlich, weil er völlig verkennt, dass Cortisol ein lebenswichtiges Hormon für uns ist“, erklärt Dr. Birgit Harbeck, Internistin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Mediensprecherin der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).  

Glücklicherweise ist eine „Entgiftung“ im herkömmlichen Sinn von diesem überlebenswichtigen Hormon gar nicht möglich. Zu einem Cortisol-Mangel kann es allerdings durch eine Funktionsstörung der Nebennieren oder der Hypophyse kommen. Dies stellt ein lebensbedrohliches Krankheitsbild dar, das in der Regel eine lebenslange Cortisol-Therapie notwendig macht. 

Nichtsdestotrotz sind die Empfehlungen der Influenzer:innen wie Bewegung und Sport, Entspannung und Schlaf sowie eine gesunde Ernährung gut zu heißen. All diese Maßnahmen fördern einen gesunden Lebensstil und wirken sich positiv auf den Cortisolspiegel aus. Es kommt zu einer besseren Regulation zwischen den Peaks. 

Mythos 3: Cortisol-Selbsttests sind aussagekräftig 

Kommerzielle Selbsttests für zu Hause, die das Speichercortisol im Körper messen, sind Endokrinolog:innen zufolge ungenau und irreführend. So warnt die DGE vor einer Durchführung solcher Tests. Bei Nichtbeachtung äußerer Bedingungen wie der Tageszeit oder schlechter Qualität der Verfahren sind die erhaltenen Ergebnisse nicht ausreichend verwertbar. „Wir sind mit verängstigenden Patientinnen konfrontiert, weil sie glauben, einen Cortisolüberschuss zu haben“, erklärt Dr. Harbeck. 

Fazit: 

Cortisol ist überlebenswichtig. Der Körper produziert und reguliert es selbstständig. Um Peaks abzufedern, ist Stressreduktion das geeignete Mittel. Erholsamer Schlaf, Bewegung, gesunde Ernährung und Achtsamkeitstechniken wie Meditation oder Atemübungen können hilfreich sein, resistenter gegenüber Stress zu werden. Maßnahmen wie diese fördern auch die natürliche Regulation des Hormons. Wenn du wirklich denkst, ein Problem mit dem Cortisol-Stoffwechsel zu haben, dann begib dich in erfahrende Hände. Endokrinolog:innen sind hierfür die kompetentesten Ansprechpartner:innen. 


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