Blasenschwäche zieht viele gesellschaftliche, berufliche und familiäre Probleme nach sich. Auch der Zugang zum eigenen Körper kann sich verändern, mit folglich auch deutlichen Auswirkungen auf die Sexualität. Weil das Tabu jedoch noch groß ist, sucht weniger als die Hälfte der Betroffenen medizinische Hilfe, um sich behandeln zu lassen. Vom Auftreten der ersten Inkontinenzsymptome bis zum ersten Arztgespräch vergehen im Schnitt sogar ein bis fünf Jahre. Ich möchte mit diesem Beitrag gerne für ein wenig Aufklärung sorgen – auch in Hinsicht auf die Wechseljahre.
Inkontinenz den Wechseljahren: Drang oder Belastung?
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Durch die hormonelle Umstellung (Abnahme des Östrogenspiegels) kommt es zu einer Veränderung des Bindegewebes, der Muskulatur und der Innervation des Halteapparates im kleinen Becken. Der Beckenboden büßt an Elastizität ein, in Folge kann es zu einer Absenkung von Organen und anatomischen Strukturen kommen, sodass ein unwillkürlicher Harnverlust bei Belastung die Folge ist. Alter, Anzahl der Schwangerschaften, Übergewicht oder vorangegangene OPs im Bauchraum erhöhen zusätzlich das Risiko einer Belastungsinkontinenz.
Auf der anderen Seite kann es durch die veränderte Reizweiterleitung im Bereich des unteren Harntrakts, im zentralen Nervensystem und im Blasenmuskel zu einer Drangsymptomatik kommen. Bereits geringe Harnmengen rufen einen starken Reiz und somit verstärkten Harndrang hervor. Zusätzlich können auch vorangegangene Blaseninfekte oder psychosomatische Faktoren zu einer erhöhten Drangsymptomatik mit Inkontinenzepisoden führen. Darauf gehe ich noch genauer ein,
Was du generell zu Inkontinenz wissen solltest
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- Du bist nicht allein: Inkontinenz ist häufig
Betroffene gibt es in jeder Altersgruppe, die Häufigkeit und das Ausmaß der Inkontinenz nehmen im zunehmenden Alter jedoch zu und liegt zwischen 10 – 40 %. In Österreich sind beinahe 1 Million Menschen von den Symptomen einer Harninkontinenz betroffen, also nahezu jeder 10. Einwohner leidet unter Blasenschwäche.
- Gute Therapieerfolge: Inkontinenz ist behandelbar
Bei entsprechender Abklärung können viele Betroffene von ihrem Leiden geheilt werden oder es lässt sich durch eine gute medizinische Versorgung eine deutliche Besserung der Lebensqualität erzielen. Es stehen heutzutage zahlreiche konservative und auch operative Therapieansätze zu Verfügung, sodass jede und jeder Betroffene die Chance auf eine individualisierte Behandlung mit guten Therapieerfolgen hat.
- Es gibt Unterschiede: Inkontinenz ist nicht gleich Inkontinenz
Als Harninkontinenz wird jeglicher unfreiwilliger Urinverlust bezeichnet. In 90 Prozent aller Fälle handelt es sich dabei um eine Belastungsinkontinenz (auch Stressinkontinenz genannt) oder eine Dranginkontinenz. Nicht selten kommt es auch zu einem Auftreten einer Mischform, bei der beide Formen der Inkontinenz in unterschiedlicher Gewichtung vorliegen. - Auch in der Altersverteilung gibt es Unterschiede
Frauen unter 50 Jahren leiden häufiger an Belastungsinkontinenz.
Ältere Frauen eher an einer Mischinkontinenz oder einer überaktiven Blase (Dranginkontinenz). - Gendermedizin: Inkontinenz ist weiblich UND männlich
Frauen sind im Allgemeinen 20 Jahre früher betroffen als Männer. Im Alter gleichen sich die Zahlen jedoch an, sodass es hier keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Betroffenen gibt, im höheren Alter leiden sogar mehr männliche Patienten an der überaktiven Blase. Bei Männern kommt es in der Altersgruppe über 65 Jahren vor allem zum Auftreten einer Dranginkontinenz.
Im Folgenden möchte ich nun speziell auf die Belastungsinkontinenz und die Dranginkontinenz bei der Frau eingehen.
Ursachen der Belastungsinkontinenz
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Bei Anstrengung und körperlicher Belastung (Husten, Niesen, Heben von Lasten etc.) kommt es durch den erhöhten Bauchinnendruck zu unfreiwilligem Harnabgang. Ursache dafür ist meist ein unzureichender Harnröhrenverschluss, bedingt durch eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur oder des Bindegewebes. Zusätzlich nimmt im Laufe des Alters die Muskelzelldichte ab, sodass die Harnröhre nicht mehr ausreichend umschlossen werden kann. Der Schweregrad der Belastungsinkontinenz richtet sich nach dem Urinverlust abhängig von körperlicher Aktivität:
- Grad I - Urinverlust beim Husten, Niesen, Pressen und Lachen
- Grad II - Urinverlust beim Heben, Laufen und Treppensteigen
- Grad III - Urinverlust beim Stehen ohne körperliche Betätigung
Konservative Therapie der Belastungsinkontinenz
Mittel der Wahl bei Belastungsinkontinenz ist die Stärkung des Beckenbodens durch Beckenbodentraining. Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Übungen unter physiotherapeutischer Anleitung zu erlernen. Allerdings gibt es auch unkomplizierte Übungen, die sehr einfach durchzuführen sind. Kombiniert können die Beckenbodenübungen mit Biofeedback, Elektrostimulation und Vaginalkonen. Ziel der Therapie ist die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur und die Koordination der bewussten Beckenbodenkontraktion bei drohendem Urinverlust. Hinsichtlich des Lebensstils kann vor allem eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht bereits den gewünschten therapeutischen Effekt nach sich ziehen.
Falls erforderlich können Medikamente mit dem Wirkstoff Duloxetin eingesetzt werden.
Tritt die Belastungsinkontinenz während oder nach der Menopause als Folge von Östrogenmangel auf, kann oftmals eine örtliche Behandlung des Harn- und Genitalbereichs mit einer östrogenhaltigen Salbe oder das Einführen von Östrogenscheidenzäpfchen eine Besserung der Beschwerden erzielen.
Chirurgische Maßnahmen bei Belastungsinkontinenz
Findet sich mit konservativen Maßnahmen kein Auslangen, besteht die Möglichkeit einer chirurgischen Sanierung. Die Wahl des richtigen Operationsverfahrens richtet sich vor allem nach dem Gesamtbefund und nach dem Leidensdruck.
- Am häufigsten verbreitet ist die Anlage von sogenannten Vaginalschlingen – als TVT (tensionfree vaginal tape) Bei diesem Eingriff, der auch in lokaler Betäubung durchgeführt werden kann, wird ein Band spannungsfrei im mittleren Bereich der Harnröhre durch zwei kleine Schnitte über dem Schambeinknochen und über einen kleinen Schnitt vaginal eingelegt wird. Dieses Band verhindert, dass es bei einem erhöhten Abdominaldruck zu einem unwillkürlichen Harnverlust kommt.
- Als weitere Operationstechnik kommen die TOT (trans obturator tape) ähnlich dem TVT in Frage, die Kolposuspension (Anhebung der Scheide) als größerer Eingriff wird nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgenommen.
- In einigen Fällen können auch Injektionen sogenannter bulking agents angedacht werden. Dabei werden um die Harnröhre Substanzen wie z.B. Kollagen, Hyaluronsäure oder Polyacrylamid-Hydrogel eingebracht. Diese Unterfütterung der Harnröhrenschleimhaut führt dazu, dass die Harnröhre bei Belastung verschlossen bleibt.
Ursachen der Dranginkontinenz und überaktive Blase
Typische Symptome einer überaktiven Blase (OAB – overactive bladder) sind ein verstärkter und häufiger Harndrang mit unverhältnismäßig kleinen Harnportionen. Der Harndrang ist meist so stark und so plötzlich einsetzend, dass man unbedingt sofort die Toilette aufsuchen muss. Dieser Reizzustand wird häufig als sehr unangenehm oder auch schmerzhaft empfunden. Die Lebensqualität ist deutlich eingeschränkt, nicht selten dominiert der Gedanke an den nächsten Toilettengang das tägliche Leben. Der gesamte Tagesablauf wird teilweise von den verfügbaren Toiletten abhängig gemacht.
Die Diagnose der Reizblase ist eine Ausschlussdiagnose. Im Rahmen der urologischen Untersuchung müssen andere Ursachen, die diese Art der Symptome hervorrufen können, ausgeschlossen werden. Dazu gehören z.B. Harnwegsinfekte, Blasentumore, Fremdkörper, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen. Mithilfe eines vom Patienten geführten Blasentagebuchs lässt sich die Diagnose zumeist eindeutig stellen.
Verhaltenstherapeutische Therapie der Dranginkontinenz
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Die Therapie bei Dranginkontinenz ruht auf zwei wichtigen Säulen: Verhaltensänderung und medikamentöse Therapie.
Bei den verhaltenstherapeutischen Maßnahmen steht vor allem das Blasentraining im Vordergrund. Dabei sollen die Betroffenen nach Dokumentation der Trink- und Harnmengen (Blasentagebuch) versuchen, die Blase entsprechend zu trainieren indem sie nicht sofort dem ersten Drang nachgegeben und ein Harnlassen nach der Uhr geübt werden soll.
Aber auch Lebensstilmodifikationen wie z.B. reduzierter Konsum von Koffein oder Nikotin können zu einer Besserung der Symptomatik führen. Zusätzlich kann man auch mit physiotherapeutischer Beckenbodengymnastik gute Erfolge erzielen. Auch bei dieser Form der Inkontinenz erfolgt das Beckenbodentraining häufig in Kombination mit Elektrostimulation und/oder Biofeedback.
Medikamentöse Therapie der Dranginkontinenz
Der zweite große therapeutische Ansatz sieht den Einsatz von Medikamenten wie Anticholinergika oder Beta-3-Agonisten vor, die dazu führen, dass sich der Blasenmuskel nicht mehr so stark zusammenzieht. Lokale Östrogene können die Symptomatik ebenfalls verbessern. Führt jedoch keine dieser Therapieoptionen zum Erfolg, gibt es die Möglichkeit, die Blase mit Botox zu beeinflussen. Es wird in die Harnblasenwand injiziert und entspannt ebenfalls die Muskulatur. Die Wirkung hält in etwa sechs bis zwölf Monate an, eine neuerliche Behandlung ist nach dieser Zeit meist erforderlich.
Wird durch die bisher erwähnten Maßnahmen keine Besserung erzielt, kann eine Nervenstimulation oder eine operative Erweiterung der Blase überlegt werden.
Fazit
Inkontinenz bedeutet nicht Resignation - eine Behandlung ist möglich!
Mit dem ärztlichen Gespräch ist der erste Schritt in Richtung verbesserter Lebensqualität gemacht. Nur Mut!
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