Hitzewallungen am Schreibtisch, mit durchgeschwitzten Kleidern Regale einräumen, keine Möglichkeit sich frisch zu machen vor dem nächsten Meeting, übermüdet Englisch unterrichten, in der Nachtschicht mit Hormonchaos Patienten betreuen. Egal in welchem Beruf: Job und Wechselbeschwerden unter einen Hut zu bringen, gehört für viele Frauen zur alltäglichen Herausforderung.
Weltweit leben circa 657 Millionen Frauen im Alter von 45 bis 59 Jahren, und rund die Hälfte davon ist berufstätig. Und der Anteil an älteren Arbeitnehmerinnen nimmt weiter zu. Bei diesen Zahlen ist es schwer nachzuvollziehen, dass die Wechseljahre am Arbeitsplatz bisher so wenig thematisiert wurden.
Doch nun nimmt die Enttabuisierung der Wechseljahre dank größerer Medienaufmerksamkeit und tatkräftiger Unterstützung von Prominenten wie der Talkshow-Legende Oprah Winfrey oder der Schauspielerin Emma Thompson endlich Schwung auf.
Die Europäische Menopausen und Andropausen Gesellschaft (EMAS) veröffentlichte 2021 sogar eine globale Erklärung zum Thema Wechselsymptome am Arbeitsplatz, in der über die verschiedenen Erfahrungen von berufstätigen Frauen im Wechsel aufgeklärt wird und die außerdem gleich praktische Vorschläge zur Verbesserung des Arbeitsumfelds enthält.
Wenn der Job zur Nervenprobe wird
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Hitzewallungen und nächtliche Schweißausbrüche sind die häufigsten Symptome der Menopause. Ebenfalls weit verbreitet sind auch:
- Schlafstörungen
- Müdigkeit
- Reizbarkeit
- Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme
- Niedergeschlagenheit und Depressionen
- Muskel- und Gelenkbeschwerden
- Vermindertes Selbstvertrauen
Dass sich unter diesen Bedingungen schwerer produktiv sein lässt, ist wenig verwunderlich. Tatsächlich schaffen Arbeitnehmerinnen mit Wechselbeschwerden im Schnitt zwei Aufgaben pro Stunde weniger als ihre symptomfreien Kolleginnen.
Der Job kann außerdem beeinflussen, wie wir den Wechsel erleben. Je mehr Stress und je längere Arbeitszeiten Frauen haben, desto unangenehmer fallen Wechselbeschwerden ins Gewicht. Auch der Spagat zwischen Job und häuslichen Pflichten kann sich negativ auswirken. Das Arbeitsumfeld spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Beengte, schlecht durchlüftete Räume, ein Mangel an Sanitär- oder Ruhebereichen oder eine starre Körperhaltung bereiten Frauen im Wechsel am meisten Probleme.
Man beachte: Das Auftreten von Wechselsymptomen muss nicht zwingend zu Problemen am Arbeitsplatz führen. Es braucht aber ein Arbeitsumfeld, das die individuellen Bedürfnisse aller Frauen berücksichtigt.
Das können Arbeitgeber:innen tun
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Die Erfahrungen von Frauen in den Wechseljahren am Arbeitsplatz sind so unterschiedlich, wie die Symptome selbst. Sie beeinflussen die Lebensqualität, das Engagement, die Leistung und sogar die Beziehung zu den Vorgesetzen.
Diese fünf Maßnahmen können Arbeitnehmer:innen im Wechsel die Arbeit erleichtern:
1. Klare Unternehmenswerte etablieren
Wünschenswert ist eine offene, integrative und unterstützende Kultur in Bezug auf die Wechseljahre. Das beinhaltet eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Diskriminierung, Stigmatisierung oder Herabwürdigung von Frauen mit Wechselbeschwerden. Der Arbeitsplatz sollte ein sicherer Ort sein, an dem Arbeitnehmerinnen ihre Sorgen und Bedürfnisse ohne Angst äußern können.
Um ein freundlicheres Arbeitsumfeld und unterstützende Beziehungen zu Vorgesetzten und Kolleg:innen zu fördern, ließe sich im Bereich der Personal- und Organisationsschulung ansetzen. Mit dem Ziel, offene Kommunikation über die Wechseljahre zu ermöglichen und positive Botschaften zu diesem Thema zu verbreiten.
2. Die Belegschaft aufklären
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Wenn ein Unternehmen die Wechseljahre nicht aktiv thematisiert, tabuisiert es sie: Es entsteht der Eindruck, dass Herausforderungen in der Lebensmitte ein unangemessenes oder peinliches Thema am Arbeitsplatz sind. Das führt dazu, dass Frauen sich nicht von ihren Kolleg:innen unterstützt fühlen, sich für Wechselsymptome schämen oder versuchen, diese vor den anderen zu verstecken.
Um gegenzusteuern, können Arbeitgeber:innen Programme zur Gesundheitsförderung entwickeln, in denen Mitarbeiter:innen über Wechseljahre, Altern und Gesundheit informiert werden. Das hilft Frauen dabei, ihre Symptome bestmöglich zu bewältigen (z.B. durch Ernährungsumstellung, Stressbewältigung oder der Entwicklung einer positiven Einstellung zum Altern).
Auch Schulungen für Vorgesetzte – insbesondere (aber nicht nur) für Männer – bieten sich an. In diesen könnte für den Wechsel sensibilisiert und unbewusste Vorurteile aufgearbeitet werden. Auch die Fähigkeit zum empathischen Zuhören lässt sich so verbessern.
3. Ansprechpartner bereitstellen
Wichtig ist, Frauen Zugang zu Gesundheitsfürsorge am Arbeitsplatz und vertrauliche Beratungsmöglichkeiten anzubieten. Vielen Frauen ist es unangenehm ist, mit ihrem unmittelbaren (männlichen) Vorgesetzten zu sprechen, hier sollten Alternativen geschaffen werden. Etwa
- Ansprechpartnerinnen in der Personalabteilung
- Betriebskrankenschwestern (mit privaten Sprechzimmern)
- betriebliche Gesundheitsförderung (mit Zugang zu professioneller Beratung)
- außerberufliche Unterstützungsangebote wie Online-Gruppen, in denen Frauen Erfahrungen und Ratschläge austauschen können, oder Treffen in der Mittagspause
4. Rahmenbedingungen anpassen
Arbeitgeber:innen können die Arbeitsumgebung aktiv anpassen. Die Maßnahmen hängen natürlich von der Tätigkeit, der Branche und dem Sektor ab. Aber auch die individuellen Bedürfnisse und Wechselsymptome spielen eine Rolle.
So könnten Frauen, die unter Hitzewallungen leiden, unterstützt werden:
- Ventilatoren bereitstellen, die Kontrolle der Temperatur am Arbeitsplatz ermöglichen
- saubere und benutzerfreundliche sanitäre Anlagen
- kühles Trinkwasser
- Zugang zu anderen oder offeneren Arbeitsbereichen (wenn die derzeitigen Arbeitsplätze eng/klein/heiß sind).
- Flexible Kleiderordnungen und Uniformen / Arbeitskleidung aus thermisch angenehmen Stoffen
Manche dieser Maßnahmen sind schwerer umsetzen, wenn Frauen in Großraumbüros oder heißen Räumen (z. B. in Fabriken) arbeiten und wenn die Temperatur am Arbeitsplatz zentral gesteuert wird. In solchen Fällen könnte man zum Beispiel kühlende Hilfsmittel (kaltes Wasser, verstärkte Luftzufuhr, Kühlakkus, ...) bereitstellen.
5. Arbeitsvorgänge überprüfen
Unternehmen sollten sich der möglichen Auswirkungen von bestimmten Arbeitsmustern (z. B. Nachtarbeit, Schichtdienst) auf das Erleben von Wechselsymptomen bewusst sein. Um diese notfalls anzupassen, ist eine gute Beziehung und ein offener Austausch zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmerinnen wichtig.
Ein sorgfältiges Management der Arbeitsbelastung hilft, Überlastung zu vermeiden und Arbeitsstress zu verringern. Auch der Zugang zu flexiblen Arbeitsregelungen kann Arbeitnehmer:innen im Wechsel entlasten.
So profitieren Unternehmen davon
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Wenn die vielen unterschiedlichen und miteinander verwobenen gesundheitlichen Probleme von Frauen im Wechsel übersehen werden, kann das Arbeitgeber:innen etwa 370.000.000 USD im Jahr kosten, wie eine US-Studie herausfand.
Die Möglichkeiten, das Arbeitsumfeld für Frauen im Wechsel zu verbessern, sind vielfältig: von der Raumtemperatur über selbstbestimmtes Arbeiten bis hin zu angepassten Umgangsformen.
Generell haben Arbeitgeber:innen die Pflicht, die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter:innen zu schützen. Aber abgesehen von gesetzlichen Vorschriften gibt es gute Gründe dafür, Frauen in der Lebensmitte zu unterstützen: Sie sind talentierte und erfahrene Arbeitskräfte, deren Potential leider zu oft unausgeschöpft bleibt.
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